Die Verkündigungskirche in Perstun

Das Dorf Perstun, nordwestlich von Grodno im Grenzebiet zu Polen gelegen, bestand schon zu Zeiten des Großfürstentums Litauen. Damals kreuzten sich hier mehrere wichtige Verkehrswege, und der Ort war ein regionales Verwaltungszentrum, das auch von staatlichen Würdenträgern häufig besucht wurde. Heute liegt der Ort im Dornröschenschlaf, nicht zuletzt deshalb, weil er als Punkt innerhalb der „Grenzzone“ (pogranitschnaja sona) sowohl für Einheimische als auch besonders für Ausländer nur unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich ist.

Die Mariä-Verkündigungskirche in Perstun wurde 1848 erbaut. Die Architektur ist uneinheitlich und am ehesten der Renaissance zuzuordnen, auch wenn das Baujahr weit nach dieser Epoche liegt. Das Gotteshaus gehörte zunächst der unierten Kirche an (in der der Gottesdienst nach russisch-orthodoxem Ritus gefeiert wird, die aber dem Papst unterstellt ist), seit 1919 ist es katholisch.

Im 2. Weltkrieg hinterließen die Deutschen auf dem Rückzug verbrannte Erde und verschonten dabei auch Perstun und seine Kirche nicht. Teilweise zerstört, verfiel sie zusehends und wurde erst 1990 wiederaufgebaut bzw. restauriert. Ihr relativ schmales und hohes Kirchenschiff und der zylindrische Turm mit seinem spitzen Dach beherrschen seitdem wieder das Landschaftsbild, wenn man sich dem Dorf nähert.

Vom Reisen im Sessel

Jeder Reisebericht – selbst der um Objektivität bemühte – kann nicht verhehlen, „meist stillschweigend und unreflektiert […] konkrete Verhältnisse im eigenen Land“ zu dokumentieren (Brenner 1990: 30).

„Der Reisende sieht […] das […] ‚fremde Land‘ mit den Augen der Heimat“ (Kessler 1982: 265).

Brenners Schlussfolgerung, wonach sich daher „Reiseberichte nicht als realistische Wiedergabe der Wirklichkeit lesen“ lassen (a.a.O.), bestätigt A. Opitz:

„Reiseliteratur bezieht sich […] nicht auf vorhandene Realien, sondern auf Medien im kommunikationstheoretischen Sinne (Geschichte, Wahrheit, Ich), welche die Erzeugung von Bedeutung ermöglichen, die sich durch Wahrnehmung legitimieren“ (Opitz 1997: 33).

Das wird nicht zuletzt in den Beiträgen offenkundig, die heimgekehrte Weißrussland-Reisende in Online-Foren veröffentlichen und in denen ohne jede Berührungsangst und oft genug auch ohne jedes Taktgefühl das Gesehene und Erlebte in Beziehung mit höchst individuellen Wertekategorien gesetzt werden. Unterschwellig wird dabei immer der Eindruck transportiert, Belarus sei ein im Verhältnis zur eigenen westeuropäischen Heimat rückständiges Land. Aber diese Gastfreundschaft! Und diese Natur! Und erst die Frauen!

Solche Äußerungen sind ein besonders beredtes Beispiel dafür, dass die Geschichte des Reiseberichts auch als Geschichte einer Loslösung vom Diktat der Objektivität verstanden werden muss – vollzogen nicht nur vom Reisenden bzw. vom Reiseschreiber, sondern auch durch den Leser. So entstehen drei Bilder: erstens das Bild, das der Reisende sieht; zweitens sein Bericht darüber; und schließlich das Bild, das sich während und nach der Lektüre bei jedem Leser entfaltet.

Das galt bereits für die reisenden Söldner, Pilger, Handwerker und Kaufleute des Spätmittelalters, für die Forschungsreisenden und Gelehrten der Londoner Royal Society und natürlich für die frühe Reiseführer-Literatur, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts immer beliebter wurde (etwa der Baedeker).

Selbst wenn mit dem Reisebericht ein wissenschaftliches Interesse verfolgt wurde (das Gesehene in Menge, Beschaffenheit usw. möglichst vollständig zu beschreiben), kam dieser Ehrgeiz praktisch von Beginn an an seine Grenzen. Man kann nicht unbegrenzt Fakten sammeln und sie komplett und objektiv präsentieren.

Außerdem entdeckte der ’normale Leser‘ den Reisebericht als Medium, das nicht nur Wissen, sondern auch Unterhaltung bot. „Die ‚literarische Gesellschaft‘ des 18. und 19. Jahrhunderts […] fand in der Lektüre der Reiseberichte die nützliche Belehrung mit angenehmer Unterhaltung vereint“ (Robel 1987: 16). Dies galt schon für die frühen Reiseberichte Marco Polos und Sir John Mandevilles (vgl. Robel 1987: 10). Folgerichtig stiegen die Ansprüche des Publikums schnell an. Die Entstehung der Reiselüge (der authentisch präsentierten, aber frei erfundenen Reiseerzählung) als literarische Gattung ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage nach immer neuen Reiseberichten von den Verlegern nicht mehr befriedigt werden konnte.

Wir haben es also im Ganzen mit mehreren Momenten zu tun, die im Zusammenspiel einen „literarischen Paradigmenwechsel“ (Opitz 1995: 47) innerhalb der Gattung des Reiseberichts bewirkten: erstens mit der Überforderung des Reiseberichts durch die ihm zugedachte Aufgabe, Wissen unbegrenzt zu bewahren und objektiv zu präsentieren; zweitens mit der Forderung der Leserschaft nach Unterhaltung; und drittens mit einem Wandel des Selbstverständnisses der Reiseschriftsteller selbst, die in der Skizze eine bessere Wiedergabe des Erlebten sahen als in der auf Vollständigkeit angelegten Reisebeschreibung.

Deshalb kann der Reisebericht nicht ohne seinen Verfasser und ohne seinen Leser gedacht werden. Vom schriftstellernden Reisenden wurde und wird erwartet, durch Darstellung und Hervorhebung des Einzelnen der grenzenlosen Fülle der Welt Struktur und damit Sinn zu verleihen. Der Leser wiederum muss die im Reisebericht dargebotenen Elemente individuell kombinieren bzw. arrangieren. Beim schreibenden Reisenden bestimmen die Wahrnehmung und die individuelle Erfahrung des Wahrgenommenen, was und wie dargestellt wird. Der Leser nimmt die durch den Reisebericht dargestellten Eindrücke individuell wahr und kombiniert sie ggf. neu.

Damit wird beim schreibenden Reisenden und beim ‚mit-reisenden‘ Leser der Begriff Wahrheit – in der Mehrzahl der historisch-literarischen Reiseberichte ein Standardbegriff – tatsächlich nur mehr zu einer Worthülse. Ausgerechnet im Reisebericht wird die individuelle Bedeutung der „ästhetischen Erfahrung des kulturell Unvertrauten“ (Wierlacher 1983: 7) offenkundig.

Schließt man hieraus, dass jede ästhetische Erfahrung einzigartig ist, so folgt daraus unweigerlich, „dass der Begriff [Wahrheit] im Spiel konkurrierender Paradigmen sich immer mehr auflöst und damit explizit zu dem wird, was er schon immer war, eine Referenz, die aus den Voraussetzungen und Funktionen des jeweiligen Systems konstituiert wird. Auch in der erfahrungsorientierten Reiseliteratur ist Wahrheit damit als formbildende Konvention zu verstehen und nicht als objektiv verifizierbarer Sachverhalt“ (Opitz 1997: 49).

Der ’schriftstellernde Reisende‘ wird zum reisenden Schriftsteller, der Leser zum armchair traveller.

So wurde die Kategorie der subjektiv-ästhetischen Erfahrung ausgerechnet in jener Literaturgattung zum Paradigma, die anfangs so nachdrücklich den seriösen Charakter und die Wahrheitstreue ihrer Sujets beschwor.

Weiterführende Literatur

Brenner, P. J.: Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte (= 2. Sonderheft Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur). Tübingen 1990. [Brenner 1990]

Japp, U.: „Aufgeklärtes Europa und natürliche Südsee. Georg Forsters ‚Reise um die Welt‘.“ Piechotta, H. J. (Hg.): Reise und Utopie. Zur Literatur der Spätaufklärung (Edition Suhrkamp 766). Frankfurt 1976, 10-56.

Kessler, W.: „Kulturbeziehungen und Reisen im 18. und 19. Jahrhundert.“ Kessler, Wolfgang (Hg.): Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa im 18. und 19. Jahrhundert. Festschrift für Heinz Ischreyt zum 65. Geburtstag (= Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa, Bd. 9). Berlin 1982, 263- 290. [Kessler 1982]

Robel, G.: „Reisen und Kulturbeziehungen im Zeitalter der Aufklärung.“ Krasnobaev, B. I. (Hg.): Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert als Quellen der Kulturgeschichtsforschung (= Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa, Bd. 6). Essen 1987, 9-38. [Robel 1987]

Wierlacher, A.: „Mit fremden Augen. Vorbereitende Bemerkungen zu einer interkulturellen Hermeneutik deutscher Literatur.“ Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 9 (1983), 1-16. [Wierlacher 1983]

Das Gutshaus der Familie Milosz in Idolta

Das am südlichen Rand von Idolta gelegene Gutshaus wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut, nachdem die Fürsten Sapiega den Ort Mitte der 1820-er Jahre an den Richter Jozef Milosz veräußert hatten. Zusammen mit dem das Gutshaus umgebenden Landschaftsgarten, den Wirtschaftsgebäuden und nicht zuletzt der 1862 erbauten Grablege der Familie Milosz bildet es ein für das 19. Jahrhundert charakteristisches herrschaftliches Ensemble.

Das Gutshaus ist eingeschossig, mit einem vorspringenden, von vier Säulen getragenen Portikus, über dem sich eine große Mansarde mit Balkon erhebt. Im Innern gab es außer den Schlafräumen und den mit Gemälden und Gobelins geschmückten Salons einen Speisesaal und eine Bibliothek. Vorräte wurden im weitläufigen Untergeschoss aufbewahrt, in dem ein von Quellwasser gespeisten Brunnen Haus und Bewohner mit frischem Wasser versorgte.

Der Park erfreute das Auge der Lustwandelnden mit verschiedenen Laubbäumen und anderen Ziergehölzen, zwischen denen Brunnen plätscherten. Von dieser Landschaftsarchitektur sind heute lediglich Reste erhalten; das Gutshaus selbst wurde restauriert, und auch einige der historischen Wirtschaftsgebäude sind erhalten.

Interview mit Galjasch Saljawa

Galjasch Saljawa lebt im Norden Weißrusslands – in Braslaw, einer kleinen, von Seen umgebenen Stadt. Dort organisiert er verschiedene Veranstaltungen, setzt sich für die weißrussische Sprache ein und betreibt das Internetportal Braslaw.by. Im nachfolgenden Interview berichtet Galjasch über sein Leben in Braslaw.

Erzählen Sie kurz etwas über sich. Ausbilung, Beruf, Arbeit, Hobbies…

Ich bin Freelancer. Ich habe zwei Ausbildungen als Fotograf und Journalist. Ich bin aber auch gesellschaftlicher Aktivist, mache ein bisschen Musik und noch viel Anderes, was mir gerade nicht einfällt…

Wie stehen Sie zu Ihrer Heimat und der Region, in der Sie aufgewachsen sind?

Ich habe das Wort „Heimat“ nie verstanden, denn ich denke in kosmischen Maßstäben…

Welche Rolle spielt die weißrussische Sprache gegenwärtig im Leben Ihres Landes?

Die weißrussische Sprache befindet sich in keiner besonders guten Lage. Zwar ist es offiziell eine der beiden Staatssprachen, tatsächlich wird das Weißrussische aber viel weniger verwendet als das Russische. Obwohl – aktuell wird die weißrussische Sprache zunehmend zum Trend und wird in der Werbung, dem Geschäftsleben und von der fortschrittsorientierten Jugend gebraucht.

In welcher Sprache kommunizieren Ihre Bekannten und Freunde?

Meine Freunde in erster Linie auf Russisch, aber ich habe auch viele Bekannte, die sich auf Weißrussisch unterhalten. Insgesamt ist der Kreis der Weirussischsprachigen im Lande klein, fast alle kennen sich untereinander.

Und welche Bedeutung hat das Weißrussische für Sie persönlich?

Früher war Sprache für mich etwas Sakrales, Bedeutsames, ich war zu einem gewissen Grade Nationalist. Inzwischen ist mir klar, dass es sich einfach um ein Mittel zur Kommunikation handelt, und ich räume der Sprache keine so große Bedeutung mehr ein wie früher. Fragen rund um die Sprache machen mir nicht mehr so viele Sorgen – Hauptsache, die Menschen verstehen einander.

Wie stehen Sie zur Verwendung des Russischen in Ihrem Land?

Neutral. Es ist Ergebnis der historischen Entwicklung. Wobei ich mir wünschen würde, dass es eine mit dem Weißrussischen gleichbedeutende Stellung hat.

Ihre Meinung zur Rolle der russischen Sprache als lingua franca der GUS-Staaten bzw. der UdSSR-Nachfolgestaaten?

So ist es ja. Nur eben nicht offiziell.

Sie organisieren Kulturveranstaltungen unter Betonung der weißrussischen Kultur und Sprache. Welchen Raum geben Sie dieser Tätigkeit in Ihrem Leben? Wie stehen Behörden und staatliche Institutionen dazu?

Ich mache das nur, weil es mir gefällt und weil es mir liegt. Mag früher ein nationaler Hintergedanke existiert haben, so hat meine Einstellung heute keine zusätzliche Färbung mehr. Die Behörden unterstützen mich gelegentlich, indem sie Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, sind aber insgesamt ausgesprochen passiv und betrachten jede Art von Initiative ohne jeden Enthusiasmus. Von Zeit zu Zeit bin ich gezwungen, um Hilfe zu bitten – obwohl sie doch die Behörden von sich aus anbieten sollten.

Wegen unserer Geschichte stehen wir Deutschen dem Wort Patriotismus zurückhaltend gegenüber. Geben Sie diesem Begriff eine bestimmte Bedeutung und wenn ja, welche?

Ich weiß nicht, was das heißt – Patriotismus. Ich glaube, in Weißrussland gibt es ihn nicht. Es gibt nur Pathos.

Wo sehen Sie Ihr Land im Lichte der politischen Entwicklungen? Näher an der EU oder näher an Russland?

Ich würde mein Land weder gern im Kontext der EU sehen und schon gar nicht in engem Verbund mit Russland. Sondern so, wie es momentan ist: unabhängig. Und als Ideal: Dass mein Land der Welt Trends anbieten würde, im IT-Bereich zum Beispiel. So eine Art Südkorea. Aber vorerst ist das Utopie.

Die Menschen im westlichen Europa machen sich kaum klar, dass es auch in Weißrussland eine junge Generation mit ihrer eigenen, besonderen Lebensweise gibt. Können Sie die junge Generation Ihres Landes beschreiben?

Die Jugend ist bei uns wahrscheinlich so wie überall – es gibt Leute, die mitdenken, es gibt Leute, die kreativ sind, es gibt aber auch Leute, die passiv und konsumorientiert leben.

Sie beschäftigen sich mit künstlerischer Fotografie. Ist sie für Sie ein Mittel zur Informationsvermittlung oder ein eigenständiger Bereich innerhalb Ihres Schaffens?

Die Fotografie ist für mich ein Instrument zur Selbsterkenntnis. Gewissermaßen einer meiner „Wecker“.

Herzlichen Dank für das Interview.

Die Landwirtschaft: ein bedeutender Wirtschaftsfaktor Weißrusslands

Die Landwirtschaft ist in Weißrussland einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Das Land steht bei der Produktion von Getreide, Preiselbeeren und Flachs (als Basis für Leinengewebe) weltweit auf den vorderen Plätzen. Zudem spielen Ackerbau und Viehzucht weiterhin eine für die Selbstversorgung der Bevölkerung nicht wegzudenkende Rolle .

Gut 40 Prozent der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Bei den Betriebsformen überwiegen die landwirtschaftlichen Großbetriebe; ihr Anteil ist zwischen 2010 und 2018 um fast 15 Prozent gestiegen. Hervorgegangen aus den früheren Kolchosen und Sowchosen, liegen ihre Schwerpunkte auf dem Getreideanbau und der Viehwirtschaft, hier namentlich der Rinder- und Schweinemast.

Obwohl Weißrussland seinen Bedarf an Fleisch quantitativ selbst decken könnte, muss weiterhin Fleisch importiert werden. Dessen Qualität ist konstanter als das im eigenen Land produzierte, die Kosten sind geringer (was in erster Linie mit der geringeren Produktivität und Effizienz der weißrussischen Viehwirtschaft zu erklären ist), und die Verarbeitung ist leichter, weil das importierte Fleisch tiefgekühlt und in standardisierten Transportverpackungen angeliefert wird.

Die Milchproduktion hat in Weißrussland mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie in anderen europäischen Ländern: mit sinkenden Ankaufspreisen bei gleichzeitiger Steigerung der Futterpreise; hinzu kommen aber Rentabilitätsdefizite sowie die geringere jährliche Milchleistung der in Weißrussland gehaltenen Kühe. Aus diesem Grunde muss das Land auch Milch und Milchprodukte importieren.

Die Anzahl der nebenwirtschaftlich genutzten Höfe, die in erster Linie zur Sicherung der eigenen Lebensmittelversorgung dienen, ist zwischen 2010 und 2018 etwa in dem Maße gesunken, wie der Anteil der Großbetriebe zugenommen hat. Die Nebenwirtschaften produzieren vor allem Gemüse und beliefern den inländischen Markt mit 80 Prozent der Kartoffeln und 68 Prozent des Gemüses. Auch Kleinvieh (z.B. Ziegen, Schafe) und Pferde hält die Bevölkerung in viel größerem Maße als die Großunternehmen.

Die nebenwirtschaftlich geführten Höfe arbeiten für den Eigenbedarf und bieten ihre Produkte auf den lokalen und regionalen Märkten an. Dabei kommt ihnen zugute, dass Futter, Dünger, Treibstoff, Ersatzteile für Maschinen und Geräte günstig oder kostenfrei über die Großbetriebe beschafft bzw. genutzt werden können.

Marginal ist die Anzahl der privaten Kleinbauern, die die Landwirtschaft hauptberuflich betreiben.

Das Klima in Weißrussland bietet beste Bedingungen für den Getreideanbau. Vor allem Weizen, Gerste, Roggen, Triticale (eine Kreuzung aus Weizen und Roggen) und Mais werden kultiviert.

Der Agrarhandel zwischen Weißrussland und der Europäischen Union spielt, bezogen auf den gesamten Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen des Landes (etwa mit Russland), keine große Rolle. Belarus exportiert in erster Linie Rohstoffe wie Salz, Zucker und Pflanzenöl nach Westeuropa und importiert von dort Milchprodukte, Teig- und Backwaren.

Energiepflanzen werden kaum angebaut, und auch der Anteil ökologisch erzeugter Produkte ist gering.

Die Kirche vom Skapulier der Gottesmutter Maria in Idolta

Der Ort Idolta gehörte im 16. Jahrhundert dem im Großfürstentum Litauen einflussreichen Geschlecht Rudominow-Dusjazki, ehe es Anfang des 18. Jahrhunderts an die Fürsten Sapiega und – wiederum mehr als ein Jahrhundert später – an die Familie Milosz überging. 1921 wurde Idolta polnisch.

Der Bau der katholischen Kirche vom Skapulier der Gottesmutter Maria wurde 1937 begonnen und zwei Jahre später vollendet. Der Grundriss ist rechteckig; alle Gebäudeteile sind aus Ziegelmauerwerk, das auf einem Bruchsteinsockel steht. Im Innern sind die beiden Seitenschiffe durch Arkaden vom Hauptschiff getrennt, deren halbkreisförmige Bögen die Rundbögen der Kirchenfenster wiederaufnehmen.

An den Altarraum schließt sich eine runde Apsis an, rechts und links vom Altarraum befinden sich zwei Sakristeiräume mit quadratischem Grundriss. Der Kirchturm ist nicht zentral an den Hauptbau angegliedert, sondern steht rechts von der Hauptfassade. Ihrem zentralen bzw. linken Teil ist eine ebenerdige Galerie vorgesetzt, die ebenfalls von Rundbögen durchbrochen ist.

In Belarus gibt es eine ganze Reihe von Kirchenbauten, die – mehr oder weniger ausgeprägt – dem Jugendstil zugerechnet werden können. Die Kirche in Idolta ist eines dieser Beispiele.

Meridian 28 – Interview

Merdian 28 ist eine Gruppe weißrussischer Reise-Enthusiasten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, in ihrer Heimat versteckte, unbekannte, vergessene Orte aufzusuchen und über sie zu berichten. „Unser Projekt“, heißt es auf der Startseite der Gruppe im Internet, „beinhaltet das, worüber in Reiseführern nicht geschrieben wird. Meridian 28 interessiert sich für Festungsanlagen aller Epochen, Objekte des Kalten Krieges, wichtige historische und Kulturdenkmäler, verlassene Gutshäuser und Schlösser, interessante Naturdenkmäler und Kulturlandschaften. Wir sind fest überzeugt, dass unser Land unglaublich reich an interessanten und unbekannten Orten ist. Unsere Werte sind Freundschaft, Achtung und Gewissenhaftigkeit. In unserem Projekt setzen wir unsere Ideen um, und wir tun das unglaublich gern!“

Die bisherigen Expeditionen des Meridian 28-Teams haben zu einer beeindruckenden Vielzahl spannender Entdeckungen geführt. „Unter weißen Flügeln“ sprach mit dem verantwortlichen Redakteur Maksim Tarnalitskij.

Maksim, erzählen Sie kurz etwas über sich selbst.

Ich bin 28 Jahre alt. Ich lebe in Minsk und arbeite als Fotojournalist für eine der größten Internet-Informationsseiten Weißrusslands. Mein Hobby sind Reisen zu unbekannten Orten.

Was für eine Ausbildung haben Sie? Steht Ihr Projekt „Meridian 28“ damit in Verbindung?

Ich habe ein Studium an der Historischen Fakultät der Weißrussischen Staatlichen Universität absolviert. „Meridian 28“ ist indirekt mit historischen Themen verbunden, hat aber eher publizistischen Charakter.

Sie wenden viel Zeit und Mittel für Ihr Projekt auf. Wie finanzieren Sie Ihre Reisen, die Kosten für die Internetpräsenz usw.?

Für das Projekt werden ausschließlich die eigene Freizeit und die eigene Kraft verwendet. Leider gelingt es nicht immer, angedachte Reisen zu realisieren, weil die Zeit fehlt. Die Finanzierung geschieht aus eigener Tasche, zum Glück ist hierfür nicht allzu viel Geld notwendig.

Gab es einen Anstoß für das Projekt?

Nein, uns hat das Reisen schon immer Spaß gemacht. „Meridian 28“ ist das Ergebnis, unseren Reisen einen übergeordneten Sinn zu verleihen und sie zu systematisieren.

Wie haben Sie Ihre Mitstreiter kennengelernt? Während des Studiums? Oder hat Sie das Projekt zusammengeführt?

Reisen und Recherchen führen Menschen oft zusammen. Mit Leonid Uwarow, einem der Projektgründer, bin ich zusammen zur Schule gegangen, wir sind schon lange befreundet. Aleksandr Aleksandrow stieß Dank seiner langjährigen Leidenschaft fürs Reisen durch ganz Weißrussland zu uns.

Gibt es eine bestimmte „Frequenz“ Ihrer Expeditionen, oder beschließen Sie Ihre Fahrten und Ziele spontan?

Wir haben eine Auswahl von Orten und Zielen, aber feste Pläne gibt es nicht. Die Reisen und Forschungen finden spontan statt, abhängig von der Zeit, die wir zur Verfügung haben.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was Sie anschauen werden? Nach eigenem Interesse? Unter Berücksichtigung der Interessen Ihrer Leser? Gemäß den finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten?

Das Geld und die Interessen des Publikums spielen keine Rolle. Wir machen das Projekt für uns selbst, und dabei haben unsere Interessen oberste Priorität. Häufig richten sich Reiseroute und Expeditionsthema nach der Zeit, die wir für die jeweilige Fahrt aufwenden möchten.

Gibt es in Ihrem Team feste Zuständigkeiten? Wer ist wofür verantwortlich?

Klar abgegrenzte Zuständigkeiten gibt es nicht. Jeder tut, was er am besten kann. Ich mache die redaktionelle Arbeit und die Planung, schreibe Texte und fotografiere. Die anderen Mitglieder des Teams unterstützen mich dabei.

Wie reagieren die Leute vor Ort darauf, dass Sie Orte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erforschen?

Oft ist es den Leuten vor Ort völlig gleichgültig.

Wie steht Ihre Familie zu „Meridian 28“? Unterstützt sie Sie, oder stören Ihre Expeditionen das Familienleben?

Meine Familie hat Verständnis für mein Hobby. Die Reisen könnten das Familienleben nur stören, wenn es in der Familie keine Harmonie und kein Verständnis gäbe.

Hinsichtlich des Erhaltungszustandes von Sehenswürdigkeiten und Kulturschätzen ist die Situation in Deutschland deutlich besser als in Belarus. Angenommen, alle Architekturdenkmäler Weißrusslands befänden sich in gutem Zustand und wären problemlos zugänglich – würde Ihnen das gefallen, oder würden Sie es eher bedauern, keine Möglichkeit mehr zu haben, vergessene Denkmäler zu entdecken?

Wenn in Weißrussland alle Denkmäler in solch einem Zustand wären wie in Deutschland, würden wir uns sicher nicht mit etwas beschäftigen wie „Meridian 28“. Wahrscheinlich würden wir uns einen Wohnwagen kaufen und so reisen, wie man es in Europa tut.

Wenn man davon ausgeht, dass sich die Völker der Welt durch bestimmte Eigenschaften oder einen bestimmten „Charakter“ auszeichnen – wie würden Sie dann die Weißrussen beschreiben?

In der weißrussischen Sprache gibt es das Wort „pamjarkouny“, das bedeutet nachgiebig, entgegenkommend, fügsam. Das ist die typische Eigenschaft und zugleich das Unglück aller Weißrussen.

Das Herrenhaus der Familie Wolowitsch

Wenige Kilometer von Grodno entfernt liegt im kleinen Dorf Swjatsk das spätbarocke Wolowitsch-Anwesen. Es wurde von Giuseppe Sacco (1735-1798) im Jahr 1779 erbaut. Umgeben ist es von einem malerischen, von Wasserläufen und kleinen Teichen durchzogenen Park.

Im Zentralbau befinden sich die Haupttreppe und ein achteckiger Saal, in den durch halbkreisförmige Arkaden mit dem Haupthaus verbundenen Seitenflügeln sind die kleineren Räumlichkeiten untergebracht. Die architektonische Gestaltung ist typisch für die Übergangszeit zwischen Barock und Klassizismus: Die Fassade des Hauptgebäudes ist in einen Haupt- und zwei Seitenrisalite gegliedert, die durch ionische Säulenreliefs vertikal betont werden.

Bemerkenswert sind die Gebäude u.a. deshalb, weil ein großer Teil des Interieurs – Wandverkleidungen, Kamine, Öfen, Türen und deren Einfassungen, Spiegeln, Konsolen, Stuck u.a.m. überwiegend erhalten ist.

Selbst die geradezu leitmotivisch angewandte Trompe-l’œil-Technik ist an vielen Stellen fast unversehrt; Säulen, Wandverkleidungen und Kamine vermitteln den Eindruck, aus Marmor geschaffen zu sein – ein Effekt, der der vollkommenen Beherrschung des illusionistischen Malens geschuldet ist.

Die aufwendigen Arbeiten an der Ausstattung der Räume zogen sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hin.

Zweihundert Jahre später war der Zustand von Haupthaus, Nebengebäuden und Park jedoch beklagenswert. Nachdem das Gebäude in neuerer Zeit zunächst als Erholungsheim für Parteikader und später als Tuberkulose-Isolierstation genutzt worden war, stand es danach jahrelang leer und verfiel zusehends. Die Mauern waren an vielen Stellen infolge defekter oder gänzlich fehlender Regenrinnen feucht, die Fenster verzogen und undicht, Verputz und Stuck an der Außenfassade bröckelten. Der Park war verwildert, wenn auch die einst kunstvoll arrangierten Blickachsen noch zu erahnen waren.

Nachdem Versuche, das Ensemble an private Investoren zu veräußern, fehlgeschlagen waren, wurde es Ende 2009 an ein der weißrussischen Nationalbank gehörendes Sanatorium übergeben.

Seit 2017 laufen die Restaurierungsarbeiten. Neben der grundlegenden Wiederherstellung der Gebäudesubstanz sollen auch die Interieurs der einzelnen Räume originalgetreu wiederhergestellt werden. Ein Teil der Räumlichkeiten soll als Hotel dienen, geplant sind außerdem Stallungen zur Unterbringung von Pferden für touristische Ausritte, eine kleine Brauerei mit angeschlossenem Restaurant und nicht zuletzt die Neuanlage des Parks mitsamt der Teichanlagen und Springbrunnen.

Ein Projekt dieser Größenordnung kann nur in Etappen umgesetzt werden. Investiert werden müssen umgerechnet mehr als 10 Millionen US-Dollar. Immerhin laufen die Baumaßnahmen; der linke Gebäudeflügel mitsamt Galerie ist bereits wiederhergestellt. Dennoch bleibt abzuwarten, mit welchem Erfolg die Maßnahmen umgesetzt werden.

Alle Zeitungen sind Mist

An den Kiosken von Belposchta und Belsojuzdruk werden ausschließlich Zeitungen und Zeitschriften verkauft, die entweder regierungstreue Berichterstattung liefern oder sich aus politischen Fragen weitgehend heraushalten. Dazu gehört die auflagenstärkste Belarus Segodnja (früher Sowjetskaja Belarussija), gegründet 1927, in russischer Sprache erscheinend und von der Präsidialverwaltung herausgegeben. Respublika wird vom Ministerrat verlegt, desgleichen Swjazda, als deren Mitherausgeber auch das Parlament fungiert. Respublika erscheint zweisprachig, Swjazda sogar ausschließlich auf Weißrussisch, sie verwendet dabei jedoch ein umstrittenes orthografisch-grammatisches System.

Argumenty i Fakty und Komsomolskaja Prawda sind weißrussische Ableger der bekannten russischen Zeitungen. Gesellschaftlich oder politisch “anrüchige” Themen werden hier kaum berührt.

Als unabhängig können die Organe BelGazeta und Belarusy i Rynok angesehen werden. Sie nehmen eine differenzierte Perspektive auf Politik und Gesellschaft ein und zeichnen sich durch eine distanzierte, zuweilen ironische Haltung gegenüber dem Präsidenten und der Regierung aus.

Narodnaja Wolja und Nascha Niwa (letztere ist mit ihrem Gründungsjahr 1906 die älteste weißrussische Zeitung) können an Kiosken und in Buchhandlungen nicht erworben werden. Unter fadenscheinigen Begründungen wurden sie bereits vor Jahren aus dem staatlichen Vertriebssystem ausgeschlossen. Ihre Verbreitung geschieht unter der Hand.

Repräsentanten ausländischer Investoren, denen über die Belegschaften der von ihrem Konzern gegründeten weißrussischen Dependancen gelegentlich Ausgaben von Narodnaja Wolja und Nascha Niwa angeboten wurden, berichten, dass sie von offizieller Seite – etwa von Vertretern der weißrussischen Handelskammer oder Verwaltungsbeamten der Freihandelszonen – auf ihre Lektüre angesprochen werden, verbunden mit dem Rat, die Zeitung nicht offen im Büro oder im Dienstwagen liegenzulassen, um keine Nachteile für sich selbst und ihr Unternehmen zu riskieren.

Die spontan per Graffito geäußerte Ansicht, dass alle Zeitungen Mist seien, ist vor allem auf das von staatlicher Seite selektierte Angebot zu beziehen. Nimmt man jedoch das Wort alle wörtlich, so mag dies auch darauf zurückzuführen sein, dass selbst unter regierungskritischen Bevölkerungsteilen eine teilweise skeptische Haltung gegenüber der politischen Opposition herrscht. Und schließlich kann man die Aufschrift als Zeichen eines generellen Überdrusses an der in Weißrussland herrschenden politisch-gesellschaftlichen Situation verstehen.

Bialystok – letzte große Stadt vor der Grenze zu Weißrussland

In den nordwestlichen Teil Weißrusslands gelangt man über den Grenzort Kuznice in Polen, das etwa 50 Kilometer von Bialystok entfernt liegt. Bialystok ist seit der Eröffnung der Warschau-Petersburger Eisenbahn (1862) bedeutender Verkehrsknotenpunkt, und auch heute noch steigen Reisende in Richtung Weißrussland am Bahnhof im Stadtzentrum um.

Passagiere nach Grodno legen die letzten Kilometer mit einem Triebwagen zurück, der den kleinen Grenzverkehr der weißrussischen Privatschmuggler ermöglichte, ehe Polen dem Schengener Abkommen beitrat und EU-Visa für weißrussische Staatsbürger seither zurückhaltender ausstellt.

Auch mit dem PKW gelangt man in den nördlichen Landesteil Weißrusslands über den Grenzübergang Kuznica / Brusgi. An der langen Warteschlange wartender LKW geht es direkt zum EU-Schalter der Passabfertigung. Kurz darauf notiert ein weißrussischer Grenzbeamter das Nummernschild des Autos, erkundigt sich nach der Anzahl der Mitreisenden, gibt die Migrationskarten aus (das Ausfüllen ist eine lästige, aber notwendige Formalität), wirft einen Blick in den Kofferraum und stellt einen Passierschein aus, der später beim Verlassen der Grenzstation wieder abgegeben wird.

Danach geht es zur benachbarten „Transport-Inspektion“, wo das Auto, mit dem man einreist, registriert wird. Wenn die Zollbeamten nichts gegen den Inhalt des Kofferraums einzuwenden haben, fährt man etwa einen halben Kilometer weit bis zum Ende der Grenzstation. Dort prüft der Beamte, ob alle Stempel im Passierschein sind, öffnet den Schlagbaum, und man ist in Weißrussland. Bis Grodno, der ersten Großstadt auf weißrussischem Territorium, sind es noch 20 Kilometer.

Eine Baustelle

In Grodno sorgen unweit vom Lenin-Denkmal Bauarbeiter dafür, dass der Boden unter seinen Füßen wieder ansprechend aussieht.

Die Andrzej-Bobola-Kirche in Koslowitschi

Im sommerlichen Himmel singen die Lerchen, das hoch aufgewachsene Wiesengras wiegt sich sacht im Wind, zwischen den Baumkronen schauen zwei niedrige hölzerne Kirchtürme hervor – das ist die Andrzej-Bobola-Kirche in Koslowitschi, ein anmutiges kleines Gebäude, das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut und 1859 renoviert wurde.

Ursprünglich als russisch-orthodoxe Mariä-Entschlafungs-Kirche geweiht, wurde das Gotteshaus 1920 katholisch; Kirchenpatron ist seither der heilige Andrzej Bobola (1591 – 1657), der als Pfarrer, Prediger, Klostervorsteher und Missionar im heutigen Weißrussland und der Ukraine wirkte.

Dem annähernd quadratischen Kirchenschiff vorgelagert ist der Eingang unter den beiden kleinen Türmen; an der Rückseite schließt sich die Sakristei an. Schlichte, weiß gerahmte Rundbogen-Fenster erhellen das Innere.

Auf dem von Hecken und einem niedrigen Holzzaun eingerahmten Kirchhof finden sich ein großes Holzkreuz und einige Gräber und Gedenksteine.

Osada Dedino – ist Großvaters Landgut dem Untergang geweiht?

Unweit des Dorfes Dedino (Kreis Mijory, Gebiet Witebsk) steht das Landgut der alteingesessenen Adelsfamilie Rudnitzki. „Osada Dedino“ bedeutet so viel wie „Großväterliche Besitzung“, „Großväterliches Erbe“. Erstmals belegt ist der Ort in Quellen, die ins 16. Jahrhundert datieren, die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1517. Wenige Jahrzehnte später, 1550, wird das Dorf bereits als Siedlung mit einer Kirche geführt.

Ende des 17. Jahrhunderts gelangte das Dorf in den Besitz der Familie Rodominow (Rudominow) – eines uralten Geschlechts im Großfürstentum Litauen, das Kaufleute, Diplomaten, Offiziere und Literaten hervorgebracht hatte. 1768 verkauft die Familie das Dorf und die Ländereien an Jan Rudnitzkij, der im Großfürstentum Litauen den Rang eines Rittmeisters bekleidete. Damit wurde der Ort zum Stammsitz der Rudnitzkis.

1810 veranlasste Alexander Rudnitzkij, der Son Jan Rudnitzkis, den Neubau eines Gutshauses nach Plänen des polnisch-litauischen Architekten Witkowski, von dem Namen und Lebens- und Sterbedaten nicht überliefert sind. 1820 wurde der Bau des Herrenhauses vollendet. Vor dem Gebäude wurde ein Landschaftspark angelegt, dessen Anlage heute noch erkennbar ist.

Beim Gebäude handelt es sich um einen rechteckigen Bau mit Walmdach. Den Zugang überdacht ein von vier Säulen getragener Portikus. Karnise und Risalite gliedern Vorder- und Seitenfassaden. Im Innern führt vom Vestibül eine Treppe ins Obergeschoss. Die Aufteilung der Räumlichkeiten war im Erdgeschoss annähernd quadratisch bzw. rechteckig; im Obergeschoss gab es einen Saal und weitere, großzügig angelegte repräsentative Räumlichkeiten. Im Untergeschoss befanden sich die Wirtschaftsräume.

Das Landgut blieb über Generationen im Besitz der Familie Rudnitzki, bis Siegmund Rudnitzki, bekannt und berüchtigt für seinen aufwendigen, verschwenderischen Lebensstil, gezwungen war, es in den 1930er Jahren an die Familie Wischnewetzki überschreiben zu lassen, um seine Schulden bei ihnen zu begleichen. Neun Jahre später jedoch gelang es Siegmunds Schwägerin Aljona Jablonskaja, den Besitz zurückzukaufen; sie überschrieb ihn jedoch nicht Siegmund, sondern der Universität Winniza (in der heutigen Ukraine gelegen).

Mit Beginn des 2. Weltkriegs kehrte Siegmund Rudnitzki nach Dedino zurück. Als das Gebiet von den deutschen Truppen besetzt wurde, ernannten sie Siegmund zum Dorfältesten. Gegenüber der Dorfbevölkerung verhielt dieser sich jedoch immer gutherzig und erfüllte die Befehle der deutschen Besatzer nicht, wofür er schließlich ermordet wurde, nachdem er zuvor sein eigenes Grab hatte ausheben müssen. Wo sich dies befindet, ist unbekannt; aber gegenüber vom Gutshaus war einst seine Mutter, Maria Rudnitzki, beerdigt. Das Grab wurde von Grabräubern geplündert, aber der Grabstein ist erhalten und befindet sich noch auf dem Gelände.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Gutshaus unterschiedlich genutzt, u.a. als Verwaltungsgebäude der Kolchose „Der Weg Lenins“. Seit den 1970-er Jahren verfällt es zusehends. Der Versuch, es an einen Investor zu verkaufen, schlug fehl. Da weder die Gemeinde noch der Landkreis oder die Gebietsverwaltung über die Mittel zur Restaurierung und Unterhaltung des Denkmals verfügen, scheint es dem Untergang geweiht zu sein.

Die Peter-Pauls-Kapelle in Russota

Ursprünglich als Grablege für die Grundbesitzerfamilie Pruschinski im 19. Jahrhundert errichtet, findet heute in der kleinen katholischen Kapelle jeden Sonntag um drei Uhr der Gottesdienst für die Dörfer Russota, Kamennaja Russota, Malyschtschina und Tscheschtschewljany statt.

Die kleine Holzkirche bildet den Mittelpunkt des sie umgebenden alten Friedhofs. Generationen polnischer und weißrussischer Bewohner der Umgebung haben hier ihre letzte Ruhe gefunden; ihre Gräber werden von alten Bäumen beschattet. Von der Rückwand der Apsis aus schweift der Blick über Felder und Wiesen weit ins Land in Richtung Litauen, das gerade zwanzig Kilometer entfernt liegt.

Vor einigen Jahren erhielt die Kapelle einen neuen, gelbgrünen Anstrich, und die Bäume auf dem Friedhof wurden gefällt. Seitdem ist die Kapelle eine weithin sichtbare Landmarke; wenn auch das, ursprünglich links neben der Eingangstür unter einem eisernen Schutz-Dächlein angebrachte Plakat, das in polnischer Sprache verkündete: „Radio Maria – die Stimme des Katholizismus in deinem Haus“, den Renovierungsarbeiten ebenfalls zum Opfer gefallen ist.

Die Franz-Xaver-Kirche in Grodno

Ohne Zweifel ist die Franz-Xaver-Kirche, in der nordöstlichen Ecke des Sowjetskaja-Platzes gelegen, Grodnos auffälligstes historisches Architekturdenkmal. Die erste Messe wurde in der noch nicht fertiggestellten Kirche im Jahre 1700 gefeiert; die Konsekration fand fünf Jahre später im Beisein des polnischen Königs August II. und des russischen Zaren Peter I. statt. Peter war gerade auf dem Rückzug vor den Schweden unter Karl XII., mit dem er im Großen Nordischen Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum kämpfte, und wurde von August II. zu den Feierlichkeiten eingeladen.

Die dreischiffige Basilika mit zentraler Kuppel und ihrer Fassade aus dem Jahr 1752 ist eines der herausragendsten Barockbauwerke ganz Weißrusslands. In einer ihrer Seitenkapellen wird eine wundertätige Ikone verehrt, die als Kopie eines älteren Werkes bereits im Jahre 1664 aus der Stadt Rom nach Grodno gebracht wurde. Die Ikone ist nicht nur die Schutzpatronin der Stadt, sondern wird vor allem als Patronin der Studenten verehrt, was ihr während der Prüfungszeit der örtlichen Hoch- und Fachschulen besonderen Zulauf beschert.

Rechts und links vom Hauptportal befinden sich die nur scheinbar steinernen Statuen der Apostel Petrus und Paulus. Während der Zeit der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944 ließen die Priester der Kirche diese hölzernen Statuen in Trompe-l’œil-Technik so bemalen, dass sie wie aus Stein gemeißelt wirkten. Wegen ihres vermeintlich großen Gewichts entgingen sie dem Schicksal, als Raubkunst nach Deutschland verfrachtet zu werden.

Oberhalb des Portals steht der Namenspatron der Kirche, der heilige Franz Xaver. Die im linken Turm angebrachte Uhr befand sich in früheren Zeiten im Grodnoer Rathaus. Nachdem es in den Kriegen des 18. Jahrhunderts zerstört worden war, wurde die Uhr in der Franz-Xaver-Kirche aufgestellt. Sie verfügt über drei Zifferblätter, die mit einem ausgeklügelten Mechanismus synchron gesteuert werden. Das Uhrwerk selbst kann als eines der ältesten sich noch in Betrieb befindenden ganz Europas angesehen werden. Forschungen in jüngster Zeit haben ergeben, dass es im 15. Jahrhundert angefertigt wurde. Die drei Gewichte, eines von 160 Kilogramm, die beiden anderen von jeweils 70 Kilogramm, werden auch heute noch vom Kustos alle zwei Tage von Hand über drei Stockwerke hinaufgezogen. Der Versuch, hierfür einen computergesteuerten Elektromotor zu installieren, bewährte sich wegen der Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen im Turm nicht.

Die Ausstattung der Basilika beeindruckt durch ihre zwölf Seitenaltäre, besonders aber durch den Hauptaltar, der 1736 vom aus der polnischen Stadt Reszel stammenden Bildhauer Jan Chrystian Schmidt (1701-1759) geschaffen wurde. Die dreistöckige monumentale Komposition ist durch jeweils zehn Säulen unterteilt und zeigt die Apostel, die Evangelisten, den heiligen Franz Xaver und Christus, den Erlöser. Den Abschluss bildet eine Gloriole in der Apsis, durch die das Tageslicht in den Altarraum strahlt.

1960 wurde die Kirche für Gottesdienste geschlossen, und der letzte Priester wurde gezwungen, sein Gotteshaus zu verlassen. Die Behörden planten, das Bauwerk in einen Lagerraum, einen Konzertsaal und ein Kulturhaus zu verwandeln, aber selbst in den dunkelsten Zeiten der Sowjet-Diktatur gaben die Gemeindemitglieder und die Bürger Grodnos die Kirche nicht auf, besuchten sie zum Gebet und verhinderten, dass sie ihrer Ausstattung und ihrer Kirchensätze beraubt wurde. Letztes Zeugnis dieses Missbrauchs historischer Werte ist das unmittelbar an die Basilika grenzende Gefängnis. Tatsächlich war die Kirche nämlich architektonischer Hauptbestandteil eines der größten Jesuitenklöster der Rzeczpospolita Polska; sein Territorium ist nun vom Grodnoer Gefängnis belegt, was von vielen Einwohnern der Stadt als städtebauliche Sünde empfunden wird. 1987 wurden die Gottesdienste wieder aufgenommen und finden seither täglich statt.