Der im Naturschutzgebiet Braslawer Seen gelegene Ort Achremowzy bestand ursprünglich aus zwei Siedlungen – dem Dorf selbst, dessen Name auf ein Geschlecht Achremowitsch zurückgeht, das im 17. Jahrhundert diese Ländereien besaß, und aus dem Landgut Belmont. Dessen Besitzer waren im 19. und 20. Jahrhundert die Grafen Broel-Plater. An der südlichen Ortsgrenze fällt sogleich ihre Grabkapelle ins Auge, die 1858 erbaute Christ-Erlöser-Kirche (1858).
Es handelt sich um ein hervorragend erhaltenes architektonisches Ensemble, das neben dem neugotischen Gotteshaus aus einer Umfriedung im gleichen Baustil besteht, die rechts und links von zwei kleinen Seitenkapellen abgeschlossen wird. Der Grundriss der Kirche ist rechteckig, der Bau wird von einem einfachen Satteldach gegen die Witterung geschützt. Die mehrstufige Fassade mit zentraler Rosette wird an den Seiten von zwei Türmen abgeschlossen, auf denen sich durchbrochene Spitzen aus Metall erheben. Auch die Apsis ist von einer Fensterrosette durchbrochen. Auf dem Friedhof dominieren die Gräber römisch-katholischer Gläubiger, doch in jüngerer Zeit wurden hier auch russisch-orthodoxe Christen beerdigt.
Auf der Karte des westlichen Rußlands, 1917 herausgegeben von der Kartographischen Abteilung der Königlich Preußischen Landesaufnahme, ist das Gotteshaus nicht dargestellt, wohl aber das Landgut Belmont, zu dem die Kirche einst gehörte. Die besonders hervorgehobene Bezeichnung dieses Ortes, dessen Gebäude zu diesem Zeitpunkt längst dem Verfall preisgegeben waren, legt Zeugnis darüber ab, dass es eines der bedeutendsten Güter des ganzen Landes war – mit einem prachtvollen, weitläufigen Gebäudekomplex, umgeben vom zweitgrößten Landschaftspark des heutigen Belarus.
Mit Recht spricht man selbst heute, da keines der historischen Gebäude erhalten ist, von einem Schloss. Es befand sich auf einer zweieinhalb Kilometer langen Halbinsel im Driswjati-See in der Region Braslaw. Im Laufe seiner höchst wechselvollen Geschichte hatte es verschiedene Eigentümer.
Zunächst trug das Gut den Namen Olgierdowszczyzna, um danach, nachdem es in den Besitz der Achremowitschs übergegangen war, mit deren Namen – Achremowce – versehen zu werden. Ihnen folgte das Adelsgeschlecht Salmanowicz, von dem der Besitz 1748 an Jan August Hylzen (1702-1767) veräußert wurde. Hylzen entstammte einer polonisierten livländischen Familie und war mit Konstancja von Broel-Plater verheiratet, die ebenfalls einem livländischen Adelsgeschlecht angehörte. Hylzen war bereits Eigentümer mehrerer livländischer Besitzungen und erwarb in der Republik Polen neben Achremowce eine Reihe weiterer Güter und wurde schließlich zu einem der vermögendsten Magnaten. In Achremowce ließ er eine repräsentative Residenz errichten und benannte den Ort in Belmont um. Das zweistöckige Gutshaus verfügte über 33 Räume – Säle, Salons, Wohnzimmer, ein Musikzimmer, ein Kontor und Räume zur Unterbringung der Bediensteten. Die Kellerräume dienten als Vorrats- und Wirtschaftsräume. Hylzen ließ einen italienischen Garten anlegen, und in insgesamt sechs Gästehäusern konnten Besucher untergebracht werden. Zahlreiche weitere Gebäude beherbergten Werkstätten, Verwaltungseinrichtungen und Wohnungen für das Personal.
Jan August Hylzen vererbte Belmont und eine Reihe weiterer Besitzungen an seinen ältesten Sohn Jozef Jerzy (1736-1786). Bemerkenswert sind die Auflagen, die der Vater mit der Weitergabe des Besitzes an den Nachkommen verfügte. In seinem 1783 verfügten Testament ordnete er an, die Untertanen von allen meinen Gütern in der Ewigkeit zu befreien und ihnen die Freiheit zu geben, mit allen ihren Besitztümern (…) zu gehen, wohin sie wollen. Regelmäßig und auf unbestimmte Zeit ist die Hälfte der Einkünfte aller meiner Güter für die Unterstützung und Förderung der Wissenschaft und des Handwerks, für die Ausbildung des armen Adels, für den Unterhalt von Bedürftigen, für die Eröffnung von Hospitälern sowie für die Unterstützung von armen Dorfbewohnern, die in Armut oder Elend verharren, zur Seite zu legen (zitiert nach: Roman Aftanazy: Dzieje rezydencji na dawnych kresach Rzeczypospolitej. Tom 4, Wroclaw / Warszawa / Krakow 1993, S. 14). Diese Bestimmungen wurden bezeichnenderweise nicht umgesetzt, was Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem langwierigen Rechtsstreit führte.
Da Jozef Jerzy Hylzens einziger Sohn schon im Kindesalter starb, ging Belmont an seinen Neffen, den geistig behinderten Idzi Hylzen (gest. um 1800). Er war der letzte Nachkomme der Familie in Polen, blieb kinderlos und verkaufte zwei Jahre vor seinem Tod das Gut mit allen zugehörigen Ländereien an Mikolaj Manuzzi (um 1730-1809).
Manuzzi, ein Abenteurer par excellence, hatte in seiner Heimat Italien und in anderen europäischen Ländern, etwa in Spanien und Frankreich, seinen Ruf diskreditiert und war Anfang der 1770-er Jahre in Warschau aufgetaucht. Dank eines zweifelhaften Grafentitels, seiner Kartenspiel-Künste, seiner Attraktivität und seiner Wendigkeit auf hauptstädtischem Parkett war es ihm gelungen, bis an den Hof des polnischen Königs vorzudringen.
Durch die so geknüpften Verbindungen, einen beträchtlichen Wagemut und eine vorteilhafte Heirat mit einer Mätresse des polnischen Königs gelangte Manuzzi in den Besitz großer Ländereien mit Ortschaften und Dörfern, u.a. Bogino, Opsa und Ice. Als Manuzzi Gut Belmont erwarb, war das von Jozef Hylzen erbaute Gutshaus bereits wieder im Verfall. Manuzzi ließ es instandsetzen, umbauen und erweitern. Auch wirtschaftlich blühte der Besitz erneut auf – dies gelang Manuzzi, indem er die bäuerliche Leibeigenschaft durch Pachtverhältnisse ersetzte. Die Beweggründe dieser Reformen dienten jedoch fast ausschließlich wirtschaftlichen Zielen, und tatsächlich litten die Bauern fortan unter der Verdoppelung der ihnen von Manuzzi auferlegten Lasten.
Nach Mikolaj Manuzzis Tod ging Gut Belmont an seinen Sohn Stanislaw (1773-1823) und dessen Frau Konstancja von Broel-Plater (1782-1874). Wie sein Vater erwies Stanislaw sich als guter Verwalter und sicherte die fortwährende Blüte des Besitzes. Zugleich stiftete und finanzierte er Schulen, Bibliotheken und andere Wohltätigkeitseinrichtungen. Seine Güter und Besitzungen vererbte er dem jüngsten Bruder seiner Frau, Ignacy Wilhelm Broel-Plater (1791-1854). Sein jüngster Sohn, Feliks Witold Broel-Plater (1849-1924) übernahm die Ländereien und Gut Belmont nach dem Tod seines Vaters. Seine Frau, Elżbieta Potocka (1874-1960) war bis 1939 die letzte Besitzerin des Gutes.
Das Adelsgeschlecht von dem Broel genannt Plater geht auf westfälischen Uradel zurück; das Stammhaus dieses, in Deutschland bereits 1659 erloschenen, in Polen, Litauen und Russland jedoch in mehreren Linien fortexistierenden Rittergeschlechts, war das nahe der deutschen Stadt Unna gelegene Schloss Bröhl, welches bereits 1388 zerstört wurde.
Im Jahr 1860 umfasste Gut Belmont eine Fläche von 55.000 Hektar, doch der Besitz war hoch verschuldet. Den Broel-Platers fehlten die Mittel, um die Residenz wieder aufzubauen. Bis auf die Kapelle wurden die Ruinen ihrem Schicksal überlassen. Feliks Witold Broel-Plater kümmerte sich jedoch tatkräftig um die Bewirtschaftung der Ländereien. Die auf Moorboden gelegenen Wälder von Belmont-Boginskoje durchzog er mit Entwässerungskanälen, und es entstand eine ganze Siedlung namens Platerow, mit einer Apotheke, einer Ambulanz und drei Gärtnereien. Auch eine – vom zaristischen Russland eigentlich verbotene – polnische Grundschule bestand hier. Da das Schloss unbewohnbar war, bezogen die Broel-Platers eines seiner Nebengebäude. Selbst diese im Vergleich zum Schloss bescheidene Unterkunft hatte sechzig Zimmer unterschiedlicher Größe.
Ein Aquarell des Malers Napoleon Orda (1807-1883) aus dem Jahr 1876 vermittelt einen Eindruck von der Größe und der Ausdehnung des Komplexes. Auf einem schmalen, aber langen rechteckigen Fundament erhob sich der weitläufige und repräsentative Bau. Darunter befanden sich die Gewölbe des ersten, von Jan August Hylzen erbauten Gutshauses. Die Fassade war durch drei Risalite gegliedert; der mittlere mit seinen hohen Fensteröffnungen war etwas höher als der Rest des Palastes. An den rechten Seitenflügel wurde 1818 eine Kapelle angebaut – tatsächlich handelte es sich um ein recht geräumiges, zweistöckiges Gotteshaus, das mehreren hundert Gläubigen Platz bot.
Das Herrenhaus war mit erlesenen Möbeln und Kunstwerken ausgestattet. Kristall-Leuchter, Gemälde mit Porträts der Familie Hylzen, ein reiches Archiv mit Schriftstücken, die bis ins 16. Jahrhundert datierten, und eine polnisch-französische Bibliothek von etwa 3000 Bänden bildeten das Inventar. Das Archiv und die Bibliothek, wertvolle Möbel und Kunstwerke wurden 1915 vor den heranrückenden Deutschen nach St. Petersburg evakuiert, von wo sie nicht zurückkehrten. Im selben Jahr brannten alle verbliebenen Objekte zusammen mit dem Gebäude ab. Nach 1920 bauten die Eigentümer andernorts ein sehr viel bescheidener ausgestattetes Herrenhaus.
Sbor paumnikau gistorii i kultury Belarusi. Wizebskaja Woblasz / Sammlung der Geschichts- und Kulturdenkmäler von Belarus. Oblast Witebsk (Swod pamjatnikow istorii i kultury narodow SSSR / Sammlung der Geschichts- und Kulturdenkmäler der Völker der UdSSR) Minsk 1985, S. 140, Abb. 485
Was bis 1939, wenn auch in halb verwildertem Zustand, überlebte, war ein prächtiger, 62 Hektar großer Landschaftspark, dessen oberer Teil vom Palast gekrönt war. Der Weg dorthin verlief über eine weite, durch perspektivisch angepflanzte Baumgruppen (Ahorn, Linde, Eiche) aufgelockerte Rasenfläche. Von dort führte eine kaskadenartig angelegte, lange Treppe über mehrere schmale Terrassen hinunter zum unteren Parkteil. Anders als der obere sollte er den Eindruck eines großzügigen Landschaftsgartens erwecken. Auf zwei ovale, mit Bäumen bestandene Wälle folgte ein quer dazu angelegter, rechteckiger Teich von 100 x 20 Metern, der über künstliche Wasserläufe mit einem zweiten, schmaleren Teich verbunden war. Auf der so gebildeten dazwischen liegenden Insel befand sich eine Laube, die über kleine Brücken erreicht werden konnte. Insgesamt war der untere Park mit seinen Gebüschen und Baumgruppen naturnäher gestaltet als der obere. Ein Netz aus Spazierwegen bot Zerstreuung. Neben Linden, Ahorn, Eschen und Kastanien und anderen einheimischen Baumarten fanden sich im Garten auch europäische und sibirische Lärchen, Thujen, sibirische Tannen und italienische Pappeln.