Das Landgut der Familie Dmochowski

Vom Landgut der Familie Dmochowski sind nur noch wenige Relikte erhalten. Zur Jahrhundertwende zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert gehörte Sabolotje einer Familie Gierzdów oder Gierzoduw, über die kaum Näheres bekannt ist. 1743 erwarb die Familie Dmochowski das Gut; es blieb bis September 1939 in ihrem Besitz. Der letzte Eigentümer von Sabolotje war Władysław Dmochowski.

Auf der Schwelle des hölzernen, auf einem hohen Fundament aus großen Feldsteinen erbauten Herrenhauses war sein Baujahr, 1742, eingemeißelt. Es verfügte über weitläufige, als Ziegelgewölbe gemauerte Kellerräume. Das Walmdach war anfangs mit Stroh, später mit Schindeln gedeckt. Ursprünglich war das äußere Erscheinungsbild des Gutes also recht zurückhaltend, ja bescheiden. Erst nach 1820 verlieh man ihm durch den Bau eines von zwei Säulen getragenen, mit einem Gesims verzierten Portikus vor dem Haupteingang ein etwas repräsentativeres Gepräge. In den kleinen Giebel war ein halbkreisförmiges Zierfenster mit radialen Sprossen eingesetzt. Die Treppe, die zum Portikus führte, ruhte auf Feldsteinen, wie sie bereits für den Bau des Fundaments Verwendung gefunden hatten. Ein zentraler Kamin leitete die Abluft der im Haus eingebauten Öfen durch das Dachgeschoss nach außen.

Aus: Bułhak, Jan: Polska w krajobrazie i zabytkach. T. 2, Warszawa 1930, S. 409, Abb. 1356

Durch den Innenraum verlief ein zentraler Flur, der das Gebäude in zwei Hälften teilte. Rechts befand sich die größte Kammer mit zwei Fenstern, das Speisezimmer, während das angrenzende Eckzimmer mit einem Fenster als Schlafzimmer diente. Auf der linken Seite des Flurs gelangte man zunächst in ein Spielzimmer, an das sich an der linken Hausecke wiederum ein Schlafraum anschloss. Zur Gartenseite befand sich ein repräsentatives Speisezimmer mit einem angrenzenden großen Raum zum Anrichten der Speisen. Die übrigen Räume dienten als Wohnräume.

Alle Zimmer hatten Balkendecken und weiß getünchte Wände und Böden aus lackierten Holzdielen. Nur das Vestibül war mit Ziegelsteinen ausgelegt. Im linken vorderen Eckzimmer gab es neben einem mit vier Säulen dekorierten Ofen aus Ziegelmauerwerk auch einen klassizistischen Kamin ohne Feuerstelle. Dieser diente als Altar für den Erzbischof von Mogiljow, Kazimierz Dmochowski (1780-1851), der bei Aufenthalten in seinem Familienstammsitz dort die Messe las.

Ebenfalls 1742 wurde nebenan ein Kornspeicher errichtet, dem in den folgenden Jahren und Jahrzehnten weitere Wirtschaftsgebäude folgten. Von ihnen sind nur noch die Grundmauern erhalten, an denen jedoch die damalige Bauweise gut erkennbar wird: In die gemauerten und verputzten Stützpfeiler waren Führungen eingelassen, die die zwischen den Pfeilern eingesetzten hölzernen Wandelemente trugen.

Aus den Archivalien geht hervor, dass das Landgut reich ausgestattet war. In seinen Salons wurden französische Weine, edle Speisen und Getränke gereicht, es gab stilvolles Mobiliar, kostbares Tafelsilber und eine umfangreiche Bibliothek. 1812, während der Invasion Napoleon Bonapartes, wurde das Gut geplündert. Der französische General Graf Antoine Drouot (1774-1847), der für einige Tage in Sabolotje Halt machte, fand das Herrenhaus fast völlig leer vor. Beschämt hinterließ er an einem zurückgelassenen Schreibtisch die Note: „Mit großer Traurigkeit stelle ich fest, dass dieses Haus von meinen Landsleuten zerstört wurde, und ich bedaure aufrichtig , dass die darin lebenden Menschen am 20. Juli 1812 gezwungen waren, ihr Gut zu verlassen.“

In den folgenden knapp einhundert Jahren wurden das Haus wieder hergerichtet und erneut mit eleganten Möbeln und erstklassigen Gemälden ausgestattet. Im 2. Weltkrieg wurde all dies nach Vilnius verbracht, wo es jedoch in den Kriegswirren verloren ging – die Notiz von General Drouot eingeschlossen.

Der das Haus umgebende Garten hatte eine Fläche von etwa 4 Hektar. Der Baumbestand setzte sich aus Eichen, Linden, Ahornbäumen und Birken zusammen. Gegenüber dem Gutshaus lag hinter einem kleinen Teich ein Nadelwald aus sehr hohen, alten Fichten. Jedes Jahr legten Reiher dort etwa 80 Nester an. Dieser Nadelwald wurde bereits im 1. Weltkrieg abgeholzt.

Heute findet der Besucher außer den wenigen verbliebenen Ruinen kaum noch historische Spuren vor. Dort, wo vordem das hölzerne Gutshaus stand, wurde in den 1950-er Jahren die Dorfbibliothek erbaut. Darunter sind die historischen Kellergewölbe jedoch erhalten. Jahrzehntelang vernachlässigt und als Lager für Kartoffeln und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse genutzt, ist es der ehrenamtlichen Initiative des Bibliothekspersonals zu verdanken, dass die Keller von Unrat und Feuchtigkeit befreit, gereinigt und konserviert wurden und nun wieder als Denkmal besichtigt werden können. Im Erdgeschoss der Bücherei wurde ein Raum als kleines Heimatmuseum hergerichtet, in dem auch einige wenige Gegenstände gezeigt werden, die aus dem ehemaligen Gutshaus stammen.

Der Ort wird inzwischen von vielen Touristen aus dem In- und Ausland besucht, denn das Geschlecht der Dmochowskis hat einen berühmten Sohn hervorgebracht: den Freiheitskämpfer und Bildhauer Henryk Dmochowski (1810-1863). Er beteiligte sich in den 1830-er und 1840-er Jahren an Aufständen und Erhebungen gegen die im ehemaligen, 1795 endgültig zerschlagenen Königreich Polen stationierten russischen und österreichischen Truppen, bevor er 1852 in die Vereinigten Staaten von Amerika ging, wo er neun Jahre lang als Bildhauer unter dem Namen Henry Sanders aktiv war. Dort schuf er zwischen 1852 und 1853 die Bildnisse der amerikanischen Präsidenten George Washington, Benjamin Franklin und Thomas Jefferson, die bis heute das Kapitol in Washington D.C. zieren.

Henryk Dmochowski kehrte 1861 in seine Heimat zurück, machte sich in Vilnius ansässig und wirkte auch dort wieder als Bildhauer. Zwei Jahre später wurde er als Teilnehmer am polnischen Januaraufstand (1863-1864) bei Kämpfen gegen die russischen Truppen getötet. Am Bibliotheksgebäude in Sabolotje wurde vor einigen Jahren eine Gedenktafel für den berühmten Sohn des Dorfes angebracht.