Die Entstehung von Poststationen geht auf dem Territorium des Russischen Reiches bis in die Zeit Peters d. Gr. (1672-1725) zurück. Im Zuge der Entwicklung von Verkehrswegen musste die für die schnelle Beförderung von Depeschen und anderen Dokumenten nötige Infrastruktur ausgebaut werden – insbesondere der regelmäßige Wechsel der Postpferde war von großer Bedeutung. Zunächst nur in hölzernen Bauernhäusern und improvosierten landwirtschaftlichen Gebäuden untergebracht, wurde die Entwicklung solcher Stationen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend planvoll angegangen („Plan zur Einführung von Poststationen und Amtsbezeichnungen ihrer Inhaber“ vom 22.03.1770).
Das Gebiet des heutigen Weißrussland gehörte zu dieser Zeit zum Doppelstaat Polen-Litauen, der in drei Teilungen zwischen 1772 und 1793 zerschlagen wurde. Weißrussland fiel dabei vollständig unter russische Herrschaft, was die rasche Angleichung der Verkehrs-Infrastruktur an die im russischen Reich üblichen Standards erforderlich machte.
Die bis dahin in unregelmäßigen Entfernungen unterhaltenen hölzernen Stationsgebäude, die sich kaum von gewöhnlichen Bauernhütten unterschieden, wurden bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts durch besser geeignete Bauten ersetzt. In den 1830-er Jahren existierten – insbesondere auf den wichtigen Verkehrswegen nach Westeuropa – um die 70 Poststationen, von denen etwa ein Drittel aus Stein erbaut war. Grundriss und Architektur folgten der (auch im übrigen Gebiet des Reiches erst 1820 per Dekret festgelegten) Typologie: Die Fassade des eingeschossigen Stationsgebäudes war der Straße zugewandt; im Innern befanden sich das Büro des Stationsvorstehers und Räumlichkeiten für die Fahrgäste. Je nach Bedeutung und Größe der Station waren hier Tische, Stühle und ein Buffet untergebracht, wo die Reisenden Kaffee, Tee und auch Spirituosen kaufen konnten.
Rechts und links des Gebäudes schlossen sich die Tore für Zu- und Abfahrt der Fuhrwerke und Equipagen an. Das gesamte Grundstück war seitlich und nach hinten durch einen Zaun oder eine Mauer eingefasst, an deren Längs- und Querseiten sich Wirtschaftsgebäude, eine Remise, Scheunen, Stallungen und Unterkünfte für die Bediensteten der Fahrgäste befanden.
Abb. aus: Tschatorowa, E. R.: Architekturnaja tipologija potschtowych stanzionnych domow Moskowsko-Sibirskogo trakta w Tomskoj gubernii XIX v. (Die architektonische Typologie der Poststationshäuser des Fernweges von Moskau nach Sibirien im Gouvernement Tomsk im XIX Jahrhundert), Tomsk 2015, S. 78.
Es handelte sich bei diesen Poststationen also nicht nur um ein einzelnes Gebäude sondern um einen zusammenhängenden, zweckmäßigen architektonischen Komplex. 1823, 1843 und 1846 überarbeitete die Regierung die 1820 eingeführte Typologie dieser Anlagen. Je nach Größe entsprach die einzelne Station einer festgelegten, von I bis IV nummerierten Kategorie. Kleinere und größere Stationen wechselten sich entlang der Straße ab. Auf drei bis vier kleinere Stationen, teilweise ohne eignen Hof und Wirtschaftsgebäude, folgte eine größere mit den bereits erwähnten Annehmlichkeiten für Reisende und Bedienstete. In historischen Akten ebenso wie in zeitgenössischen Reiseberichten gibt es jedoch Hinweise darauf, dass die Bauvorschriften oft nicht immer eingehalten wurden, sondern sich im Gegenteil Anspruch und Wirklichkeit deutlich unterschieden und der Reisende anstelle einer zweckmäßigen, einen gewissen Komfort bietenden Anlage vernachlässigte Gebäude vorfand, die sich kaum von den Bauernhütten der angrenzenden Weiler unterschieden.
Heute gibt es in Weißrussland noch rund fünfzig historische Poststationen. Ihrem ursprünglichen Zweck dienen nur noch wenige; gelegentlich ist eine Postfiliale darin untergebracht, aber viele werden als Wohnhäuser genutzt, andere beherbergen Geschäfte, und nicht wenige befinden sich – seit Jahren ungenutzt – in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Ihr geschlossener Grundriss und ihre einstige Bestimmung sind jedoch vielfach noch gut erkennbar, insbesondere, wenn nicht nur das Stationsgebäude selbst erhalten ist, sondern auch die Hofanlage dahinter. Oft finden sich diese Denkmäler inzwischen innerhalb der Ortschaften, die sie einst miteinander verbanden. Im Laufe der Jahrezehnte erweitert, erreichte die städtische Besiedlung schließlich die vormals einzeln gelegenen Poststationen, die ins Stadtbild eingegliedert wurden.