Die Große Synagoge in Grodno

In Grodno steht an der Bolshaja-Troizkaja-Straße 29a die eindrucksvolle Große Synagoge von Grodno, sichtbares Zeugnis einer siebenhundertjährigen Tradition jüdischen Lebens in dieser Stadt.


Das Gebäude der heutigen Synagoge, erbaut im neorussischen Stil, datiert vom Anfang des 20. Jahrhunderts und steht am Platz einer sehr viel älteren, hölzernen Synagoge aus dem 16. Jahrhundert, die 1902 abgebrannt war. Während der Besatzungszeit durch das nationalsozialistische Deutschland entging Grodno aufgrund seiner grenznahen Lage als eine der wenigen weißrussischen Städte der Vernichtung. Auch die Synagoge blieb erstaunlicherweise erhalten, wurde jedoch ausgeraubt und erlitt tiefgreifende Schäden durch Geschützeinschläge. Nach dem Krieg wurde sie nicht restauriert, sondern als Lager eines Geflügelzuchtkombinats und der Apothekenverwaltung verwendet; später befanden sich hier Werkstätten für industrielles Kunsthandwerk. 1991 wurde das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde Grodno zurückgegeben.

Die Fotos auf dieser Seite zeigen den Zustand der Synagoge während der Restaurierungsarbeiten. Die Fassade war bereits gesichert, das Dach neu eingedeckt und der Hauptgebetsraum größtenteils wiederhergestellt.


Man nimmt an, dass Juden in Grodno bereits im 12. Jahrhundert lebten; sichere Zeugnisse liegen seit dem 14. Jahrhundert vor. Im 17. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde Grodnos neben denen in Brest und Pinsk eine der drei bedeutendsten Litauens, und zu Beginn des 18. Jahrhunderts machten die jüdischen Bewohner den größten Teil der Stadtbevölkerung aus. Ihre Hauptbetätigungsfelder waren Handel, Handwerk und Industrie.

Im Laufe der Jahrhunderte hatten die Juden in Grodno immer wieder unter Diskriminierungen zu leiden, die vielfach in Pogromen gipfelten. Bereits 1495 wurden alle Juden des Fürstentums Litauen von ihren Wohnsitzen vertrieben und ihr Eigentum beschlagnahmt. Auch im 20. Jahrhundert litten die Grodnoer Juden unter solchen Maßnahmen, und zwar nicht erst während der deutschen Besatzungszeit. So vertrieben im April 1915 Kosakeneinheiten der russischen Armee die gesamte jüdische Bevölkerung aus der Stadt.

In der kurzen Zugehörigkeit Grodnos zu Polen (1920-1939) stieg der Anteil der jüdischen Einwohner wieder auf über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung an, sie waren jedoch weiterhin fortgesetzten Benachteiligungen ausgesetzt. Als Grodno im Jahre 1939 von sowjetischen Truppen eingenommen wurde, kam es in dem kurzen Zeitabschnitt zwischen dem Abzug der polnischen Verbände und der Einnahme der Stadt durch die sowjetische Armee zu einem weiteren großen Pogrom. Im Folgejahr 1940 wurde die Synagoge geschlossen.

Am 23. Juni 1941 schließlich nahmen nationalsozialistische Verbände die Stadt ein. Die jüdische Bevölkerung (ca. 25.000 Menschen) wurde enteignet und in zwei Ghettos interniert. Ihnen stand ein „Judenrat“ vor, der nicht nur das Leben im Ghetto zu organisieren hatte, sondern auch gezwungen wurde, die Listen der in die Vernichtungslager zu deportierenden Menschen zu führen. Innerhalb der Ghettos kam es wiederholt zu willkürlichen Erschießungsaktionen, so z.B. im Juli 1941, als die sogenannte „Einsatzgruppe B“ etwa 100 jüdische Intellektuelle ermordete. Auch in der Folgezeit rächte sich die deutsche Besatzungsmacht mit solchen Aktionen für Sabotageakte einer Untergrundorganisation, die sich in den Ghettos gebildet hatte.

Im November und Dezember 1942 wurde das Ghetto Nr. 2 aufgelöst, im Januar und Februar darauf das Ghetto Nr. 1. Die Juden wurden in ein Verteilungslager nahe Grodno getrieben, in dem bereits viele Menschen starben. Die Überlebenden kamen später in den deutschen Konzentrationslagern in Polen um.

Wenige Überlebende kehrten nach dem Krieg in die Stadt zurück, aber die Gemeinde erholt sich bis heute nur langsam von ihrer fast vollständigen Vernichtung. Sie umfasst gegenwärtig nur einen Bruchteil ihrer früheren Größe. Die verbliebenen Gemeindemitglieder verhinderten den vollständigen Verfall ihrer Synagoge durch großes privates praktisches wie finanzielles Engagement. Gleichwohl reichte dieser Einsatz nicht aus, um das Gotteshaus für kommende Generationen zu erhalten. Seit dem Sommer 2008 wurde in Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 880-jährigen Stadtjubiläum Grodnos die Fassade restauriert. Der Innenraum, ebenfalls aufwendig wiederhergestellt, ist der einzige vollständig erhaltene jüdische Gebetsraum des Landes und beeindruckt mit seiner mit neogotischen Elementen angereicherte Monumentalität.

Ein Brand im Jahr 2013 zerstörte einen Raum im Obergeschoss.