Kategorie: Städte und Ortschaften

Das Massaker in Aksamity

Um das Dorf Aksamity (Kreis Kopyl) tobten im Jahr 1943 schwere Kämpfe. Partisaneneinheiten brachten die Truppen der Wehrmacht in immer größere Bedrängnis. Doch am 23. Februar 1943 fielen die Deutschen ins Dorf ein. Ihre Aufgabe war, Zivilisten zu töten, die mit den Partisanen in Verbindung standen. Wenige Stunden später wurden 16 Menschen, darunter sechs Kinder, in einem Haus zusammengetrieben und bei lebendigem Leibe verbrannt. An diesem Ort steht heute eine Scheune zur Trocknung von Getreide.

Swetlana Iwanowna war damals 8 Jahre alt. Ihr Großvater war Verbindungsmann zu den Partisanen, ihr Vater war Kriegskommissar. Als die Deutschen ins Dorf einmarschierten, schickte Swetlanas Mutter sie zu den Nachbarn und gab vor, sie gehöre nicht zur Familie. Swetlana sah durchs Fenster der Nachbarn, wie ihre Familie und Freunde zur Ermordung geführt wurden. „Darunter war ein zweijähriger Junge“, sagt Swetlana. „Wir haben jeden Tag zusammen gespielt. Darum schmerzt all das bis heute so sehr. So etwas vergisst man nicht. So etwas zu vergessen ist unmöglich.“

Im Nachbardorf wurde ein kleines Denkmal aufgestellt, das die Opfer würdigt. Die Inschrift auf dem Gedenkstein lautet: „Ewiges Gedenken den Bewohnern des Dorfes Aksamity, die am 23. Februar 1943 wegen ihrer Verbindungen zu den Partisanen lebendig verbrannt wurden.“ Und dank der Initiative zweier Schüler der örtlichen Mittelschule konnten 2012 die Namen der Ermordeten in den Archiven der Stadt Sluzk ausfindig gemacht werden. Auf dem Massengrab in Aksamity erinnert seitdem ein Grabstein an den Namen jedes einzelnen Toten.

Die Christi-Verklärungskirche in Bolotschitzy

Bolotschitsy befindet sich zehn Kilometer südwestlich von Sluzk. Ein Gründungsdatum ist nicht überliefert, aber die Ortschaft existiert vermutlich schon seit dem 16. Jahrhundert, als im Zuge einer Agrarreform im Großfürstenturm Litauen der Ortsname mehrfach vergeben wurde.

Über eine breite Allee voller Schlaglöcher müht sich der Wagen die leichte Steigung hinauf, man muss beim Slalom aufpassen, nicht plötzlich einen entgegenkommenden Belarus-Traktor vor sich zu haben. Die ersten Holzhäuser tauchen auf, südlich voraus ist schon die Kuppel der alten Kirche zu sehen – Bolotschitzy liegt an der Flanke einer Anhöhe. Auch im Ort sind die Straßen unbefestigt und krumm, den Blickkontakt zur Kuppel der alten Kirche sollte man nicht verlieren. Schon verlässt man das Dorf wieder; ein paar langgestreckte Kolchos-Gebäude sind zu sehen, noch vor ihnen erhebt sich die gar nicht einmal so kleine Holzkirche. Der Kirchhof ist eher eine Wiese, durch deren kniehohes Gras leise der Wind streicht.

Im Laufe der Jahrhunderte besaß der Ort mehrere Gotteshäuser, anhand derer die Wechselfälle der Geschichte anschaulich werden, denen das heutige Weißrussland unterworfen war.

Seit 1799 gab es in der damaligen Dorfmitte eine katholische Kirche, die bis 1852 existierte. Nach dem Novemberaufstand von 1830 (dem ersten großen Aufstand nach den drei Teilungen Polens, der die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens zum Ziele hatte), setzte im heutigen Weißrussland, das damals Teil des russischen Reiches war, eine ausgeprägte Russifizierungspolitik ein, um den Einfluss der polnischen Unabhängigkeitsbefürworter einzudämmen. Dennoch konnte 1834 eine neue katholische Kirche in Bolotschitzy errichtet werden. 18 Jahre darauf wurde die erste russsich-orthodoxe Kirche erbaut, allerdings außerhalb des Dorfes, um keinen Konflikt mit der katholischen Mehrheit der Dorbewohner und mit den kirchlichen Würdenträgern zu riskieren.

Nach der Niederschlagung des Januaraufstandes von 1863 aber wurde die katholische Kirche in Bolotschitzy geschlossen und stand zwei Jahrzehnte lang leer; gegen Ende des 19. Jahrhunderts übernahm die russisch-orthodoxe Gemeinde das Kirchengebäude und weihte es als Christi-Verklärungs-Kirche neu.

Mit dem Anbruch des 20. Jahrhunderts änderte sich die Lage erneut. Nikolaus II. setzte im Oktober 1905, gezwungen durch die Unruhen und massiven Streiks während der Russischen Revolution von 1905, das Oktobermanifest in Kraft, das neben der Einführung eines Parlaments und des allgemeinen Wahlrechts für Männer auch die Gewährung bürgerlicher Grundrechte festschrieb.

Dies ermöglichte es den Katholiken in Bolotschitzy, an der Südgrenze des Dorfes ein neues, aus Holz gebautes Gotteshaus zu errichten – mit rechteckigem, einschiffigem Grundriss ohne Apsis, mit Walmdach, zwei Türmen über dem Portal und einem Dachreiter über dem Altar. Im Innenraum war die Decke flach und bestand aus einem verputzten Geflecht aus Pflanzenfasern und Lehm; über dem Portal befand sich eine auf zwei Säulen ruhende Empore, auf der die Orgel untergebracht war.

In den 1920-er Jahren schloss die Sowjetmacht alle Kirchen des Dorfes  –  katholische wie russisch-orthodoxe, wobei letztere vollständig zerstört wurden. Während des 2. Weltkriegs funktionierte man die verbliebene katholische Kirche in ein russisch-orthodoxes Gotteshaus um. 1956 wurde es endgültig geschlossen und fortan als Pestizid- und Herbizid-Lager für die benachbarte Kolchose genutzt.

Die Perestrojka führte zu Beginn der 1990-er Jahre zur Rückgabe vieler konfiszierter und zweckentfremdeter Kirchen an die Gemeinden. Auch das ursprünglich katholische, von den 1940-er Jahren bis 1956 als russisch-orthodoxe Kirche genutzte Gotteshaus wurde den Gläubigen zurückgegeben. Doch seine Bausubstanz war derart von Chemikalien verseucht, dass Gottesdienste nicht möglich waren. Daher trieb der damalige Kirchenvorsteher den Bau einer neuen Kirche voran. Das Vorhaben wurde aber bei weitem nicht von allen Dorfbewohnern unterstützt. Letztlich aber befürwortete auch der Metropolit den Plan, und so wurde 1998 die neue Christi-Verklärungskirche im Zentrum von Bolotschitzy geweiht – bekrönt mit dem Turm der nicht mehr nutzbaren alten Christi-Verklärungs-Kirche.

Doch auch die alte Kirche erhält weiterhin Pflege und Unterstützung. Eine Dorfbewohnerin finanzierte die Errichtung eines neuen Turmes mit goldener Kuppel über dem Portal der Kirche. Es steht meistenteils offen, um ein langsames Ausdünsten der Giftstoffe zu ermöglichen.

So ist die Kirche mit ihrer gesamten Ausstattung, dem Ikonostas und sonstigem Inventar, meist frei zugänglich. Gottesdienste finden selten statt, meist an hohen kirchlichen Feiertagen.