Die Christ-Erlöser-Kapelle in Achremowzy

Der im Naturschutzgebiet Braslawer Seen gelegene Ort Achremowzy bestand ursprünglich aus zwei Siedlungen – dem Dorf selbst, dessen Name auf ein Geschlecht Achremowitsch zurückgeht, das im 17. Jahrhundert diese Ländereien besaß, und aus dem Landgut Belmont. Dessen Besitzer waren im 19. und 20. Jahrhundert die Grafen Broel-Plater. An der südlichen Ortsgrenze fällt sogleich ihre Grabkapelle ins Auge, die 1858 erbaute Christ-Erlöser-Kirche (1858).

Es handelt sich um ein hervorragend erhaltenes architektonisches Ensemble, das neben dem neugotischen Gotteshaus aus einer Umfriedung im gleichen Baustil besteht, die rechts und links von zwei kleinen Seitenkapellen abgeschlossen wird. Der Grundriss der Kirche ist rechteckig, der Bau wird von einem einfachen Satteldach gegen die Witterung geschützt. Die mehrstufige Fassade mit zentraler Rosette wird an den Seiten von zwei Türmen abgeschlossen, auf denen sich durchbrochene Spitzen aus Metall erheben. Auch die Apsis ist von einer Fensterrosette durchbrochen. Auf dem Friedhof dominieren die Gräber römisch-katholischer Gläubiger, doch in jüngerer Zeit wurden hier auch russisch-orthodoxe Christen beerdigt.

Auf der Karte des westlichen Rußlands, 1917 herausgegeben von der Kartographischen Abteilung der Königlich Preußischen Landesaufnahme, ist das Gotteshaus nicht dargestellt, wohl aber das Landgut Belmont, zu dem die Kirche einst gehörte. Die besonders hervorgehobene Bezeichnung dieses Ortes, dessen Gebäude zu diesem Zeitpunkt längst dem Verfall preisgegeben waren, legt Zeugnis darüber ab, dass es eines der bedeutendsten Güter des ganzen Landes war – mit einem prachtvollen, weitläufigen Gebäudekomplex, umgeben vom zweitgrößten Landschaftspark des heutigen Belarus.

Mit Recht spricht man selbst heute, da keines der historischen Gebäude erhalten ist, von einem Schloss. Es befand sich auf einer zweieinhalb Kilometer langen Halbinsel im Driswjati-See in der Region Braslaw. Im Laufe seiner höchst wechselvollen Geschichte hatte es verschiedene Eigentümer.

Zunächst trug das Gut den Namen Olgierdowszczyzna, um danach, nachdem es in den Besitz der Achremowitschs übergegangen war, mit deren Namen – Achremowce – versehen zu werden. Ihnen folgte das Adelsgeschlecht Salmanowicz, von dem der Besitz 1748 an Jan August Hylzen (1702-1767) veräußert wurde. Hylzen entstammte einer polonisierten livländischen Familie und war mit Konstancja von Broel-Plater verheiratet, die ebenfalls einem livländischen Adelsgeschlecht angehörte. Hylzen war bereits Eigentümer mehrerer livländischer Besitzungen und erwarb in der Republik Polen neben Achremowce eine Reihe weiterer Güter und wurde schließlich zu einem der vermögendsten Magnaten. In Achremowce ließ er eine repräsentative Residenz errichten und benannte den Ort in Belmont um. Das zweistöckige Gutshaus verfügte über 33 Räume – Säle, Salons, Wohnzimmer, ein Musikzimmer, ein Kontor und Räume zur Unterbringung der Bediensteten. Die Kellerräume dienten als Vorrats- und Wirtschaftsräume. Hylzen ließ einen italienischen Garten anlegen, und in insgesamt sechs Gästehäusern konnten Besucher untergebracht werden. Zahlreiche weitere Gebäude beherbergten Werkstätten, Verwaltungseinrichtungen und Wohnungen für das Personal.

Jan August Hylzen vererbte Belmont und eine Reihe weiterer Besitzungen an seinen ältesten Sohn Jozef Jerzy (1736-1786). Bemerkenswert sind die Auflagen, die der Vater mit der Weitergabe des Besitzes an den Nachkommen verfügte. In seinem 1783 verfügten Testament ordnete er an, die Untertanen von allen meinen Gütern in der Ewigkeit zu befreien und ihnen die Freiheit zu geben, mit allen ihren Besitztümern (…) zu gehen, wohin sie wollen. Regelmäßig und auf unbestimmte Zeit ist die Hälfte der Einkünfte aller meiner Güter für die Unterstützung und Förderung der Wissenschaft und des Handwerks, für die Ausbildung des armen Adels, für den Unterhalt von Bedürftigen, für die Eröffnung von Hospitälern sowie für die Unterstützung von armen Dorfbewohnern, die in Armut oder Elend verharren, zur Seite zu legen (zitiert nach: Roman Aftanazy: Dzieje rezydencji na dawnych kresach Rzeczypospolitej. Tom 4, Wroclaw / Warszawa / Krakow 1993, S. 14). Diese Bestimmungen wurden bezeichnenderweise nicht umgesetzt, was Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem langwierigen Rechtsstreit führte.

Da Jozef Jerzy Hylzens einziger Sohn schon im Kindesalter starb, ging Belmont an seinen Neffen, den geistig behinderten Idzi Hylzen (gest. um 1800). Er war der letzte Nachkomme der Familie in Polen, blieb kinderlos und verkaufte zwei Jahre vor seinem Tod das Gut mit allen zugehörigen Ländereien an Mikolaj Manuzzi (um 1730-1809).

Manuzzi, ein Abenteurer par excellence, hatte in seiner Heimat Italien und in anderen europäischen Ländern, etwa in Spanien und Frankreich, seinen Ruf diskreditiert und war Anfang der 1770-er Jahre in Warschau aufgetaucht. Dank eines zweifelhaften Grafentitels, seiner Kartenspiel-Künste, seiner Attraktivität und seiner Wendigkeit auf hauptstädtischem Parkett war es ihm gelungen, bis an den Hof des polnischen Königs vorzudringen.

Durch die so geknüpften Verbindungen, einen beträchtlichen Wagemut und eine vorteilhafte Heirat mit einer Mätresse des polnischen Königs gelangte Manuzzi in den Besitz großer Ländereien mit Ortschaften und Dörfern, u.a. Bogino, Opsa und Ice. Als Manuzzi Gut Belmont erwarb, war das von Jozef Hylzen erbaute Gutshaus bereits wieder im Verfall. Manuzzi ließ es instandsetzen, umbauen und erweitern. Auch wirtschaftlich blühte der Besitz erneut auf – dies gelang Manuzzi, indem er die bäuerliche Leibeigenschaft durch Pachtverhältnisse ersetzte. Die Beweggründe dieser Reformen dienten jedoch fast ausschließlich wirtschaftlichen Zielen, und tatsächlich litten die Bauern fortan unter der Verdoppelung der ihnen von Manuzzi auferlegten Lasten.

Nach Mikolaj Manuzzis Tod ging Gut Belmont an seinen Sohn Stanislaw (1773-1823) und dessen Frau Konstancja von Broel-Plater (1782-1874). Wie sein Vater erwies Stanislaw sich als guter Verwalter und sicherte die fortwährende Blüte des Besitzes. Zugleich stiftete und finanzierte er Schulen, Bibliotheken und andere Wohltätigkeitseinrichtungen. Seine Güter und Besitzungen vererbte er dem jüngsten Bruder seiner Frau, Ignacy Wilhelm Broel-Plater (1791-1854). Sein jüngster Sohn, Feliks Witold Broel-Plater (1849-1924) übernahm die Ländereien und Gut Belmont nach dem Tod seines Vaters. Seine Frau, Elżbieta Potocka (1874-1960) war bis 1939 die letzte Besitzerin des Gutes.

Das Adelsgeschlecht von dem Broel genannt Plater geht auf westfälischen Uradel zurück; das Stammhaus dieses, in Deutschland bereits 1659 erloschenen, in Polen, Litauen und Russland jedoch in mehreren Linien fortexistierenden Rittergeschlechts, war das nahe der deutschen Stadt Unna gelegene Schloss Bröhl, welches bereits 1388 zerstört wurde.

Im Jahr 1860 umfasste Gut Belmont eine Fläche von 55.000 Hektar, doch der Besitz war hoch verschuldet. Den Broel-Platers fehlten die Mittel, um die Residenz wieder aufzubauen. Bis auf die Kapelle wurden die Ruinen ihrem Schicksal überlassen. Feliks Witold Broel-Plater kümmerte sich jedoch tatkräftig um die Bewirtschaftung der Ländereien. Die auf Moorboden gelegenen Wälder von Belmont-Boginskoje durchzog er mit Entwässerungskanälen, und es entstand eine ganze Siedlung namens Platerow, mit einer Apotheke, einer Ambulanz und drei Gärtnereien. Auch eine – vom zaristischen Russland eigentlich verbotene – polnische Grundschule bestand hier. Da das Schloss unbewohnbar war, bezogen die Broel-Platers eines seiner Nebengebäude. Selbst diese im Vergleich zum Schloss bescheidene Unterkunft hatte sechzig Zimmer unterschiedlicher Größe.

Napoleon Orda: Ruinen des Palastes der de Broel Platters, ehemals der Familie Hylzen, mit Erlöserkapelle. 12. Juni 1876. 19,5 x 28,5 cm. Nationalmuseum Krakau, Inv.-Nr. III-r.a. 4030

Ein Aquarell des Malers Napoleon Orda (1807-1883) aus dem Jahr 1876 vermittelt einen Eindruck von der Größe und der Ausdehnung des Komplexes. Auf einem schmalen, aber langen rechteckigen Fundament erhob sich der weitläufige und repräsentative Bau. Darunter befanden sich die Gewölbe des ersten, von Jan August Hylzen erbauten Gutshauses. Die Fassade war durch drei Risalite gegliedert; der mittlere mit seinen hohen Fensteröffnungen war etwas höher als der Rest des Palastes. An den rechten Seitenflügel wurde 1818 eine Kapelle angebaut – tatsächlich handelte es sich um ein recht geräumiges, zweistöckiges Gotteshaus, das mehreren hundert Gläubigen Platz bot.

Das Herrenhaus war mit erlesenen Möbeln und Kunstwerken ausgestattet. Kristall-Leuchter, Gemälde mit Porträts der Familie Hylzen, ein reiches Archiv mit Schriftstücken, die bis ins 16. Jahrhundert datierten, und eine polnisch-französische Bibliothek von etwa 3000 Bänden bildeten das Inventar. Das Archiv und die Bibliothek, wertvolle Möbel und Kunstwerke wurden 1915 vor den heranrückenden Deutschen nach St. Petersburg evakuiert, von wo sie nicht zurückkehrten. Im selben Jahr brannten alle verbliebenen Objekte zusammen mit dem Gebäude ab. Nach 1920 bauten die Eigentümer andernorts ein sehr viel bescheidener ausgestattetes Herrenhaus.

Sbor paumnikau gistorii i kultury Belarusi. Wizebskaja Woblasz / Sammlung der Geschichts- und Kulturdenkmäler von Belarus. Oblast Witebsk (Swod pamjatnikow istorii i kultury narodow SSSR / Sammlung der Geschichts- und Kulturdenkmäler der Völker der UdSSR) Minsk 1985, S. 140, Abb. 485

Was bis 1939, wenn auch in halb verwildertem Zustand, überlebte, war ein prächtiger, 62 Hektar großer Landschaftspark, dessen oberer Teil vom Palast gekrönt war. Der Weg dorthin verlief über eine weite, durch perspektivisch angepflanzte Baumgruppen (Ahorn, Linde, Eiche) aufgelockerte Rasenfläche. Von dort führte eine kaskadenartig angelegte, lange Treppe über mehrere schmale Terrassen hinunter zum unteren Parkteil. Anders als der obere sollte er den Eindruck eines großzügigen Landschaftsgartens erwecken. Auf zwei ovale, mit Bäumen bestandene Wälle folgte ein quer dazu angelegter, rechteckiger Teich von 100 x 20 Metern, der über künstliche Wasserläufe mit einem zweiten, schmaleren Teich verbunden war. Auf der so gebildeten dazwischen liegenden Insel befand sich eine Laube, die über kleine Brücken erreicht werden konnte. Insgesamt war der untere Park mit seinen Gebüschen und Baumgruppen naturnäher gestaltet als der obere. Ein Netz aus Spazierwegen bot Zerstreuung. Neben Linden, Ahorn, Eschen und Kastanien und anderen einheimischen Baumarten fanden sich im Garten auch europäische und sibirische Lärchen, Thujen, sibirische Tannen und italienische Pappeln.

Der Nationalpark Braslawer Seen

Der 1995 geschaffene Nationalpark Braslawer Seen besteht aus 30 Seen und umfasst ein Gebiet von etwa 71.500 Hektar. Verbunden durch Flüsse, Bäche und Kanäle, bieten die Gewässer ein einzigartiges Biotop für über 500 Pflanzen- und knapp 190 Vogelarten.

Auch seltene Fischarten haben hier ein Refugium gefunden. Dachs, Luchs, Kranich, Höckerschwan, verschiedene Möwenarten, Bekassine, aber auch Wolf, Wildschwein, Rotwild, Elch und Marder bevölkern das Umland und die ausgedehnten Waldgebiete.

Zugleich spielt der Nationalpark eine wichtige Rolle für den Tourismus des Landes. Der Fremdenverkehr entwickelt sich in Belarus zwar langsam und bietet bei weitem nicht den Komfort und die Angebotsvielfalt anderer Urlaubsländer, doch wer Belarus entdecken möchte und zugleich Erholung sucht, findet im Nationalpark Braslawer Seen einen guten Ausgangspunkt. Das Spektrum der Unterkünfte reicht vom einfachen Campingplatz bis zur komfortablen Unterbringung auf historischen Landgütern. Auch Privatunterkünfte werden immer populärer.

Vor Ort sind Wassersport, Angeln und Wandern entlang der Gewässer und durch die urwüchsigen Wälder beliebte Freizeitaktivitäten.

Der Drywjaty-See – Zentrum des Nationalparks Braslawer Seen

Der Drywjaty-See im Norden von Belarus, an der Grenze zu Litauen gelegen, ist der sechstgrößte See des Landes und zugleich das Zentrum des Nationalparks Braslawer Seen. Er nimmt eine Fläche von gut 44 Quadratkilometern ein, wovon 34 Quadratkilometer zu Litauen und 10 Quadratkilometer zu Belarus gehören.

Der See ist durchschnittlich knapp 7 Meter tief. Gespeist wird er aus mehreren kleinen und mittleren Wasserläufen und versorgt auf die gleiche Weise benachbarte Gewässer.

Bis Ende der 1920-er Jahre war der Drywjaty-See touristisch nicht erschlossen. Das änderte sich ab etwa 1930, als mehrere Yachtclubs entstanden, die sich schnell zu einem der Zentren des gesellschaftlichen Lebens der direkt am See gelegenen Stadt Braslaw entwickelten. Hier traf sich die örtliche Intelligenzija, man flanierte über die weit in den See ragende Brücke und erfreute sich am Anblick der Yachten mit ihren weißen Segeln. Höhepunkt waren die alljährliche abgehaltenen Regatten. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs markierte das Ende dieser kurzen touristisch-sportlichen Blüte.

Erst 2012 wurde der Wassersport auf dem Drywjaty-See in größerem Umfang wieder aufgenommen. Entscheidend war eine Vereinbarung zwischen dem Kreis Braslaw und der Botschaft der Republik Polen in Belarus, die die Eröffnung einer Segelschule vorsah. Dieses Projekt, das auch die Förderung anderer Wassersportarten einschloss, wurde aus einem polnischen Entwicklungs- und Kooperationsfonds finanziert. Partner auf belarussischer Seite war der Rotary-Club Minsk City. Seit 2017 wird wieder in steigendem Maße Wassersport auf dem Drywjaty-See betrieben.

Die Brauerei in Grodno

An der Stelle der heutigen Brauerei in Grodno stand bereits im 17. Jahrhundert der Palast der Familie Oginski. 1868 gelangte der Komplex in den Besitz des tschechischen Kaufmanns Johann Kunz. Nachdem er Bürger des Russischen Reiches geworden war, nahm er den Namen Osip Matwejewitsch Kunz an, baute die Palastgebäude um und nahm darin 1877 eine Brauerei in Betrieb. Zu dieser Zeit gab es in der Stadt knapp ein Dutzend kleinerer Brauhäuser, gegen die sich die neue Brauerei behaupten musste. Dank dieser Konkurrenz erfreute sich das in Grodno gebraute Bier über lange Jahre und Jahrzehnte eines ausgezeichneten Rufes, und über ein Jahrhundert lang wuchs der Erfahrungsschatz der Braumeister der Brauerei von Osip Kunz kontinuierlich an, wodurch ein gleichbleibend hohes Niveau des dort gebrauten Bieres gewährleistet wurde.

Doch mit der Zeit veralteten die technischen Anlagen, die Entwicklung neuer Rezepturen wurde versäumt, und ab den 1990-er Jahren sank die Qualität des Bieres merklich. Zunächst konnte dies durch die Einführung von Schutzzöllen gemildert werden, was den Import ausländischen Bieres verhinderte. Gleichzeitig stellten mehrere inländische Brauereien ihren Betrieb zeitweilig ein und modernisierten ihre Brauereien grundlegend. Nach dieser letzten Gnadenfrist geriet die Brauerei in ernsthafte Schwierigkeiten, als die großen belarussischen Brauereien auf den Markt zurückkehrten. 2007 stellte die Brauerei die Bierherstellung ein.

Im selben Jahr verfolgte Pläne einer Übernahme durch die russische Großbrauerei „Baltika“ scheiterten. Fünf Jahre später übernahm eine Investment-Firma namens „Ekoprominvest“ den maroden Betrieb und versprach Stadtvätern und Bürgern, ihn zu modernisieren, ein angegliedertes Hotel zu errichten und ein Biermuseum zu eröffnen. Auch eine kleine Hausbrauerei sollte in Betrieb gehen.

Tatsächlich aber hatte man nichts Eiligeres zu tun, als sämtliches verwertbare Metall, darunter auch Anfang des 20. Jahrhunderts eingebaute historische Braukessel, aus der Brauerei abzutransportieren und als Altmetall zu Geld zu machen. Da „Ekoprominvest“ weder den Kaufpreis vollständig entrichten konnte, noch die mit dem Kauf verbundenen Auflagen erfüllen konnte, Gebäude und Grundstück zu sichern und für eine künftige Nutzung vorzubereiten, wurde das gesamte Areal 2014 ohne Zustimmung der Behörden an eine weitere Firma „Scha-Wa-S-Invest“ weiterverkauft. Der neue Eigentümer war somit nicht mehr an die dem Vorbesitzer auferlegten Bedingungen gebunden.

Eine behördliche Begehung der Gebäude ergab, dass sie teilweise einsturzgefährdet waren und sich der gesamte Komplex in beklagenswertem, heruntergewirtschafteten Zustand befand. Durch richterliche Anordnung wurden sämtliche Kaufverträge anulliert und die Brauerei wieder in kommunalen Besitz zurückgeführt. Im Frühjahr 2020 wurde die Anlage für 1,3 Millionen belarussische Rubel – umgerechnet gut 524.000 Euro – an einen polnisch-belarussischen Investor verkauft, der nun vier Jahre Zeit hat, die Gebäude zu restaurieren und für die Nutzung herzurichten. Angedacht sind erneut ein Biermuseum, ein Hotel-Restaurant und eine kleine Hausbrauerei. Die Stadt Grodno hat aber auch eine partielle Nutzung für die Ansiedlung von Verwaltungs- und Dienstleistungseinrichtungen erlaubt. So bleibt abzuwarten, ob die Pläne diesmal in die Tat umgesetzt werden und der Brauerei Grodno ein zweites Leben beschieden sein wird.

Die St. Wladimir-Kirche in Grodno

Die St- Wladimir-Kirche in Grodno ist ein Baudenkmal der neorussischen, russifizierend-historistischen Architektur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie wurde im Mai 1895 nach Plänen des Ingenieurs I. K. Plotnikow erbaut und am 29. Dezember 1896 feierlich geweiht. Das Interieur der Kirche war im Mai 1896 vollendet, der Ikonostas stammte von dem Moskauer Maler und Restaurator Dmitri M. Strukow (1828-1899). Finanziert wurde der Bau überwiegend mit Hilfe von Spenden von Gläubigen aus dem ganzen Land.

Belarus verfügt über ein reiches, vielgestaltiges religiöses Erbe. Neben der russisch-orthodoxen und der katholischen Religion spielten besonders das Judentum, der Protestantismus und auch der Islam eine wichtige Rolle. Nachdem Ende des 18. Jahrhunderts das Königreich Polen zwischen Russland, Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilt worden war, entstanden in den dem Russischen Reich zugeschlagenen Gebieten vermehrt Kirchen- und Gemeindeschulen; die Unterrichtung der Zöglinge fand mitunter direkt in den Kirchenräumen statt. So war es auch in der St. Wladimir-Kirche in Grodno.

Das Gebäude besteht aus vier Teilen: dem zweigeschossigen Glockenturm, der Vorhalle, dem Kirchenschiff und dem Altarraum in der fünfeckigen Apsis. Das Ziegelmauerwerk wird durch halbkreisförmige Fensteröffnungen und verschiedene dekorative Elemente aufgelockert.

Das Gotteshaus blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, es überstand Kriege, Revolutionen und staatliche Repressalien. Ungeachtet dieser historischen Erschütterungen wurde der kirchliche Betrieb jedoch nie dauerhaft eingestellt.

In den 1920-er und 1930-er Jahren wurden die Bänke und Tische der Kirchenschule aus dem Gebäude entfernt, was Platz für die Gläubigen schuf. Ein neuer Ikonostas wurde errichtet. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Kirche von neu angesiedelten Industriebetrieben förmlich umzingelt: von einer Glasbrennerei, einer Fabrik zur Herstellung von Kardanwellen und weiteren Großbetrieben.

Eine Brücke überspannt seither die unmittelbar an den Kirchhof angrenzenden Bahnanlagen, und die Kuppeln der Kirchtürme verlieren sich zwischen den Fabrikanlagen und ihren Kaminen und Schloten.

Versuchen, die Kirche in einen Arbeiterklub des Glaswerks umzuwandeln oder sie gleich ganz abzureißen, widerstand die Kirchengemeinde mit Erfolg. Allerdings unterscheidet sich ihr äußeres und inneres Erscheinungsbild deutlich von dem früherer Jahrzehnte.

Das ehemalige Priesterseminar in Slutzk

Das spätklassizistische Gebäude der ehemaligen Slutzker Schule für geistliche Berufe befindet sich im Zentrum der Stadt. Es wurde 1767 erbaut. An der Front springen die Seitenrisalite hervor und lockern die ansonsten streng gegliederte, nur durch den umlaufenden Zahnfries und die Fensteröffnungen unterbrochene Fassade auf.

Der mittige Haupteingang tritt ein wenig hervor; darüber erhebt sich ein bis unter die Dachkante reichendes Pilasterpaar.

Heute ist in dem Gebäude eine Schule für medizinische Berufe untergebracht. Im hübschen Innenhof verbringen die Schülerinnen und Schüler gern die Pausen zwischen den Lehrveranstaltungen.

Das Landgut der Familie Dmochowski

Vom Landgut der Familie Dmochowski sind nur noch wenige Relikte erhalten. Zur Jahrhundertwende zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert gehörte Sabolotje einer Familie Gierzdów oder Gierzoduw, über die kaum Näheres bekannt ist. 1743 erwarb die Familie Dmochowski das Gut; es blieb bis September 1939 in ihrem Besitz. Der letzte Eigentümer von Sabolotje war Władysław Dmochowski.

Auf der Schwelle des hölzernen, auf einem hohen Fundament aus großen Feldsteinen erbauten Herrenhauses war sein Baujahr, 1742, eingemeißelt. Es verfügte über weitläufige, als Ziegelgewölbe gemauerte Kellerräume. Das Walmdach war anfangs mit Stroh, später mit Schindeln gedeckt. Ursprünglich war das äußere Erscheinungsbild des Gutes also recht zurückhaltend, ja bescheiden. Erst nach 1820 verlieh man ihm durch den Bau eines von zwei Säulen getragenen, mit einem Gesims verzierten Portikus vor dem Haupteingang ein etwas repräsentativeres Gepräge. In den kleinen Giebel war ein halbkreisförmiges Zierfenster mit radialen Sprossen eingesetzt. Die Treppe, die zum Portikus führte, ruhte auf Feldsteinen, wie sie bereits für den Bau des Fundaments Verwendung gefunden hatten. Ein zentraler Kamin leitete die Abluft der im Haus eingebauten Öfen durch das Dachgeschoss nach außen.

Aus: Bułhak, Jan: Polska w krajobrazie i zabytkach. T. 2, Warszawa 1930, S. 409, Abb. 1356

Durch den Innenraum verlief ein zentraler Flur, der das Gebäude in zwei Hälften teilte. Rechts befand sich die größte Kammer mit zwei Fenstern, das Speisezimmer, während das angrenzende Eckzimmer mit einem Fenster als Schlafzimmer diente. Auf der linken Seite des Flurs gelangte man zunächst in ein Spielzimmer, an das sich an der linken Hausecke wiederum ein Schlafraum anschloss. Zur Gartenseite befand sich ein repräsentatives Speisezimmer mit einem angrenzenden großen Raum zum Anrichten der Speisen. Die übrigen Räume dienten als Wohnräume.

Alle Zimmer hatten Balkendecken und weiß getünchte Wände und Böden aus lackierten Holzdielen. Nur das Vestibül war mit Ziegelsteinen ausgelegt. Im linken vorderen Eckzimmer gab es neben einem mit vier Säulen dekorierten Ofen aus Ziegelmauerwerk auch einen klassizistischen Kamin ohne Feuerstelle. Dieser diente als Altar für den Erzbischof von Mogiljow, Kazimierz Dmochowski (1780-1851), der bei Aufenthalten in seinem Familienstammsitz dort die Messe las.

Ebenfalls 1742 wurde nebenan ein Kornspeicher errichtet, dem in den folgenden Jahren und Jahrzehnten weitere Wirtschaftsgebäude folgten. Von ihnen sind nur noch die Grundmauern erhalten, an denen jedoch die damalige Bauweise gut erkennbar wird: In die gemauerten und verputzten Stützpfeiler waren Führungen eingelassen, die die zwischen den Pfeilern eingesetzten hölzernen Wandelemente trugen.

Aus den Archivalien geht hervor, dass das Landgut reich ausgestattet war. In seinen Salons wurden französische Weine, edle Speisen und Getränke gereicht, es gab stilvolles Mobiliar, kostbares Tafelsilber und eine umfangreiche Bibliothek. 1812, während der Invasion Napoleon Bonapartes, wurde das Gut geplündert. Der französische General Graf Antoine Drouot (1774-1847), der für einige Tage in Sabolotje Halt machte, fand das Herrenhaus fast völlig leer vor. Beschämt hinterließ er an einem zurückgelassenen Schreibtisch die Note: „Mit großer Traurigkeit stelle ich fest, dass dieses Haus von meinen Landsleuten zerstört wurde, und ich bedaure aufrichtig , dass die darin lebenden Menschen am 20. Juli 1812 gezwungen waren, ihr Gut zu verlassen.“

In den folgenden knapp einhundert Jahren wurden das Haus wieder hergerichtet und erneut mit eleganten Möbeln und erstklassigen Gemälden ausgestattet. Im 2. Weltkrieg wurde all dies nach Vilnius verbracht, wo es jedoch in den Kriegswirren verloren ging – die Notiz von General Drouot eingeschlossen.

Der das Haus umgebende Garten hatte eine Fläche von etwa 4 Hektar. Der Baumbestand setzte sich aus Eichen, Linden, Ahornbäumen und Birken zusammen. Gegenüber dem Gutshaus lag hinter einem kleinen Teich ein Nadelwald aus sehr hohen, alten Fichten. Jedes Jahr legten Reiher dort etwa 80 Nester an. Dieser Nadelwald wurde bereits im 1. Weltkrieg abgeholzt.

Heute findet der Besucher außer den wenigen verbliebenen Ruinen kaum noch historische Spuren vor. Dort, wo vordem das hölzerne Gutshaus stand, wurde in den 1950-er Jahren die Dorfbibliothek erbaut. Darunter sind die historischen Kellergewölbe jedoch erhalten. Jahrzehntelang vernachlässigt und als Lager für Kartoffeln und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse genutzt, ist es der ehrenamtlichen Initiative des Bibliothekspersonals zu verdanken, dass die Keller von Unrat und Feuchtigkeit befreit, gereinigt und konserviert wurden und nun wieder als Denkmal besichtigt werden können. Im Erdgeschoss der Bücherei wurde ein Raum als kleines Heimatmuseum hergerichtet, in dem auch einige wenige Gegenstände gezeigt werden, die aus dem ehemaligen Gutshaus stammen.

Der Ort wird inzwischen von vielen Touristen aus dem In- und Ausland besucht, denn das Geschlecht der Dmochowskis hat einen berühmten Sohn hervorgebracht: den Freiheitskämpfer und Bildhauer Henryk Dmochowski (1810-1863). Er beteiligte sich in den 1830-er und 1840-er Jahren an Aufständen und Erhebungen gegen die im ehemaligen, 1795 endgültig zerschlagenen Königreich Polen stationierten russischen und österreichischen Truppen, bevor er 1852 in die Vereinigten Staaten von Amerika ging, wo er neun Jahre lang als Bildhauer unter dem Namen Henry Sanders aktiv war. Dort schuf er zwischen 1852 und 1853 die Bildnisse der amerikanischen Präsidenten George Washington, Benjamin Franklin und Thomas Jefferson, die bis heute das Kapitol in Washington D.C. zieren.

Henryk Dmochowski kehrte 1861 in seine Heimat zurück, machte sich in Vilnius ansässig und wirkte auch dort wieder als Bildhauer. Zwei Jahre später wurde er als Teilnehmer am polnischen Januaraufstand (1863-1864) bei Kämpfen gegen die russischen Truppen getötet. Am Bibliotheksgebäude in Sabolotje wurde vor einigen Jahren eine Gedenktafel für den berühmten Sohn des Dorfes angebracht.

Ein Museum in Eigeninitiative

Pokraschewo, unweit der Stadt Slutzk gelegen, wird in den alten Chroniken schon im Jahr 1535 erwähnt. Seit 1875 bestand an dem Ort eine Schnapsbrennerei, deren historische Gebäude noch immer existieren. Seit über fünfundzwanzig Jahren leitet Alexander Walentinowitsch Rybak den Betrieb, führte ihn in den 1990-er Jahren aus einer existenzbedrohenden Krise und machte ihn zum nationalen Marktführer für Obst- und Branntweinessig.

Alexander Rybak bewirkt aber noch weit mehr. So überzeugte er die Dorfbewohner ebenso wie die Beschäftigten seiner Fabrik, die nahegelegene verfallene, über 100-jährige Windmühle zu restaurieren, das Mahlwerk teilweise wieder herzurichten, neue Windmühlenflügel herzustellen und anzubringen und das Innere des Gebäudes in ein Heimatmuseum zu verwandeln.

Hier findet der Besucher Dinge vor, die die Einwohner aus Pokraschewo und den umliegenden Dörfer stifteten: Möbel, Werkzeuge und Gegenstände des bäuerlichen Alltags, Erzeugnisse der ländlichen Heimarbeit, wie Garn, selbstgewebte, bestickte Stoffe, aber auch Kirchengesangbücher, Küchengeräte und andere Dinge des täglichen Lebens.

Auf einer Etage ist eine Bauernstube eingerichtet, von lebensgroßen Figuren bevölkert, die eine Lehrerin aus dem Nachbarort liebevoll angefertigt hat.

Und um das Gebäude herum künden Mühlsteine, der Nachbau eines Ziehbrunnens und andere großformatige Exponate vom dörflichen Leben vergangener Zeiten.

Ende August 2010 wurde an der Dorfgrenze von Pokraschewo von katholischen und russisch-orthodoxen Geistlichen eine Quelle geweiht, die seither ein von Pilgern, aber auch von Hochzeitspaaren gern besuchter Wallfahrtsort geworden ist. Ihre Erschließung ist ebenfalls ein Verdienst des rührigen Fabrikdirektors. Auch hier investierten er und viele Freiwillige der Belegschaft viel Zeit und Engagement.

Über der Quelle errichteten sie einen Pavillon, der das – ebenfalls neu angelegte – Wasserbecken vor Witterungseinflüssen schützt und dem Besucher Sichtschutz für ein Bad im als heilkräftig bekannten Quellwasser bietet. Im Innern ist der Pavillon mit russisch-orthodoxen Ikonen und katholischen Heiligenbildern ausgestattet. Ein kleiner Parkplatz wurde angelegt, und ein kurzer, bei Dunkelheit beleuchteter Fußweg führt direkt zur Quelle.

Die St. Euphrasia-Kirche in Borowka

In dem kleinen, heute 1300 Einwohner zählenden Ort Borowka wurde zwischen 1840 und 1844 die russisch-orthodoxe St.-Euphrasia-Kirche im klassizistischen Stil erbaut. Sie war für 300 Gläubige vorgesehen. Ab 1889 ist eine angegliederte kirchliche Schule nachgewiesen, die 1916 von 95 Schülern besucht wurde. Mitte der 1930-er Jahre wurde die Kirche von den Sowjets geschlossen und diente bis in die 1990-er Jahre als Clubhaus und Lager.

Danach wurde das Gotteshaus der Gemeinde zurückgegeben, und die Instandsetzungsarbeiten begannen. Der Ikonostas wurde 2000 restauriert und erneuert, fünf Jahre später konnte die Gemeinde drei neue Glocken gießen lassen, und der Kirchhof wurde neu gestaltet.

Euphrasia von Polozk (um 1110 – 1167) war die erste auf dem Gebiet des heutigen Belarus heiliggesprochene Frau und gilt als Nationalheilige des Landes. Sie war die Tochter von Fürst Swjatoslaw Wsjeslawitsch von Witebsk (1101 – 1129). Nach Erreichen der Volljährigkeit, die damals bei 12 Jahren lag, ging sie ins Kloster und bezog nach ihrem Noviziat eine Mönchszelle in der Sophienkathedrale in Polozk. Im Scriptorium der angegliederten Bibliothek kopierte sie kirchliche Schriften, arbeitete als Übersetzerin und war seelsorgerisch tätig.

Nachdem Euphrasia drei Mal ein Engel erschienen war, gündete sie im unweit von Polozk gelegenen Ort Selzo ein Kloster. Seine Erlöserkirche (1161) ist auf dem Gebiet des heutigen Belarus eines der bedeutendsten Beispiele der Polozker Sakralarchitektur.

Euphrasia stiftete ebenfalls ein aufwendig gestaltetes, mit Edelsteinen und Reliquien versehenes Altarkreuz, das im Laufe der Jahrhunderte immer wieder aus der Kirche entfernt wurde, aber jedes Mal seinen Weg zurück in die Erlöserkirche fand. 1929, in der Sowjetzeit, ließ der Direktor des Minsker Belarussischen Staatsmuseums das Kreuz ins Staatliche Belarussische Museum nach Mogiljow bringen. In den Übergabeprotokollen wurde festgehalten, dass sich das Kreuz in schlechtem Zustand befand: 13 Heiligenbilder waren herausgebrochen bzw. zerstört, von den ursprünglich zahlreichen Edelsteinen waren lediglich noch zwei vorhanden; viele der massiv goldenen und silbernen Verzierungen fehlten, und der Korpus selbst zeigte Spuren mehrfacher, unsachgemäßer Reparaturen. Während des Zweiten Weltkriegs verschwand das Kreuz beim Rückzugs der Roten Armee endgültig. Bis heute ist dieses belarussiche Nationalheiligtum nicht wieder aufgetaucht. Seit 1997 wird in der Erlöserkirche des Klosters in Polozk eine Neuanfertigung verehrt und bewahrt.

Euphrasia veranlasste noch weitere Klostergründungen und rief auch ihre Schwester und eine Cousine zu sich ins Erlöserkloster. 1167 gelangte sie als Pilgerin nach Jerusalem, wo sie nach kurzer Krankheit im gleichen Jahr starb.