Interview mit Galjasch Saljawa

Galjasch Saljawa lebt im Norden Weißrusslands – in Braslaw, einer kleinen, von Seen umgebenen Stadt. Dort organisiert er verschiedene Veranstaltungen, setzt sich für die weißrussische Sprache ein und betreibt das Internetportal Braslaw.by. Im nachfolgenden Interview berichtet Galjasch über sein Leben in Braslaw.

Erzählen Sie kurz etwas über sich. Ausbilung, Beruf, Arbeit, Hobbies…

Ich bin Freelancer. Ich habe zwei Ausbildungen als Fotograf und Journalist. Ich bin aber auch gesellschaftlicher Aktivist, mache ein bisschen Musik und noch viel Anderes, was mir gerade nicht einfällt…

Wie stehen Sie zu Ihrer Heimat und der Region, in der Sie aufgewachsen sind?

Ich habe das Wort „Heimat“ nie verstanden, denn ich denke in kosmischen Maßstäben…

Welche Rolle spielt die weißrussische Sprache gegenwärtig im Leben Ihres Landes?

Die weißrussische Sprache befindet sich in keiner besonders guten Lage. Zwar ist es offiziell eine der beiden Staatssprachen, tatsächlich wird das Weißrussische aber viel weniger verwendet als das Russische. Obwohl – aktuell wird die weißrussische Sprache zunehmend zum Trend und wird in der Werbung, dem Geschäftsleben und von der fortschrittsorientierten Jugend gebraucht.

In welcher Sprache kommunizieren Ihre Bekannten und Freunde?

Meine Freunde in erster Linie auf Russisch, aber ich habe auch viele Bekannte, die sich auf Weißrussisch unterhalten. Insgesamt ist der Kreis der Weirussischsprachigen im Lande klein, fast alle kennen sich untereinander.

Und welche Bedeutung hat das Weißrussische für Sie persönlich?

Früher war Sprache für mich etwas Sakrales, Bedeutsames, ich war zu einem gewissen Grade Nationalist. Inzwischen ist mir klar, dass es sich einfach um ein Mittel zur Kommunikation handelt, und ich räume der Sprache keine so große Bedeutung mehr ein wie früher. Fragen rund um die Sprache machen mir nicht mehr so viele Sorgen – Hauptsache, die Menschen verstehen einander.

Wie stehen Sie zur Verwendung des Russischen in Ihrem Land?

Neutral. Es ist Ergebnis der historischen Entwicklung. Wobei ich mir wünschen würde, dass es eine mit dem Weißrussischen gleichbedeutende Stellung hat.

Ihre Meinung zur Rolle der russischen Sprache als lingua franca der GUS-Staaten bzw. der UdSSR-Nachfolgestaaten?

So ist es ja. Nur eben nicht offiziell.

Sie organisieren Kulturveranstaltungen unter Betonung der weißrussischen Kultur und Sprache. Welchen Raum geben Sie dieser Tätigkeit in Ihrem Leben? Wie stehen Behörden und staatliche Institutionen dazu?

Ich mache das nur, weil es mir gefällt und weil es mir liegt. Mag früher ein nationaler Hintergedanke existiert haben, so hat meine Einstellung heute keine zusätzliche Färbung mehr. Die Behörden unterstützen mich gelegentlich, indem sie Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, sind aber insgesamt ausgesprochen passiv und betrachten jede Art von Initiative ohne jeden Enthusiasmus. Von Zeit zu Zeit bin ich gezwungen, um Hilfe zu bitten – obwohl sie doch die Behörden von sich aus anbieten sollten.

Wegen unserer Geschichte stehen wir Deutschen dem Wort Patriotismus zurückhaltend gegenüber. Geben Sie diesem Begriff eine bestimmte Bedeutung und wenn ja, welche?

Ich weiß nicht, was das heißt – Patriotismus. Ich glaube, in Weißrussland gibt es ihn nicht. Es gibt nur Pathos.

Wo sehen Sie Ihr Land im Lichte der politischen Entwicklungen? Näher an der EU oder näher an Russland?

Ich würde mein Land weder gern im Kontext der EU sehen und schon gar nicht in engem Verbund mit Russland. Sondern so, wie es momentan ist: unabhängig. Und als Ideal: Dass mein Land der Welt Trends anbieten würde, im IT-Bereich zum Beispiel. So eine Art Südkorea. Aber vorerst ist das Utopie.

Die Menschen im westlichen Europa machen sich kaum klar, dass es auch in Weißrussland eine junge Generation mit ihrer eigenen, besonderen Lebensweise gibt. Können Sie die junge Generation Ihres Landes beschreiben?

Die Jugend ist bei uns wahrscheinlich so wie überall – es gibt Leute, die mitdenken, es gibt Leute, die kreativ sind, es gibt aber auch Leute, die passiv und konsumorientiert leben.

Sie beschäftigen sich mit künstlerischer Fotografie. Ist sie für Sie ein Mittel zur Informationsvermittlung oder ein eigenständiger Bereich innerhalb Ihres Schaffens?

Die Fotografie ist für mich ein Instrument zur Selbsterkenntnis. Gewissermaßen einer meiner „Wecker“.

Herzlichen Dank für das Interview.